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CONTRA: NPD-VERBOT WÜRDE DIE POLITISCHEN REALITÄTEN IGNORIERENDas Leben ist brutal – und kompliziert

Wir verbieten die NPD, verhindern deren rassistische Propaganda, setzen so die gewaltbereite rechte Szene massiv unter Druck und das Land wäre ein bisschen weniger gefährlich, hässlich und beängstigend. Das wäre schön, denn alle hätten etwas davon – die potenziellen Opfer des NPD-Terrors, der Wirtschaftsstandort Deutschland und die Politik, die bewiesen hätte: Wir tun was.

Das Leben und der Rechtsstaat sind leider etwas komplizierter. Erstens: Ein NPD-Verbot ist juristisch höchst umstritten. Würde der Versuch scheitern, und die Wahrscheinlichkeit ist recht groß, würde die Partei auf absehbare Zeit moralisch und politisch gestärkt aus dem Verfahren hervorgehen. Zweitens: Das juristische Tauziehen würde sich über Jahre hinziehen. Für eine schnelle oder auch nur mittelfristige Bekämpfung des militanten Rassismus ist ein Verbot deshalb untauglich.

Diese Argumente wären zweitrangig, wenn mit einem Verbot gewährleistet wäre, dass damit die Hauptverantwortlichen für Rassismus nicht mehr agieren und den völkischen Straßenbanden ihre Basis entzogen wäre. Wer sich dies erhofft, der dürfte bitter enttäuscht werden, denn manchesmal ist das wirkliche Leben brutal unangenehm. Das lehren zumindest die Erfahrungen. Das Verbot von Nationalistischer Front, Deutscher Alternative, FAP und Nationaler Liste in den frühen Neunzigerjahren hat nahezu nichts zur Eindämmung des militanten Rechtsextremismus beigetragen.

Der militante Rassismus in Deutschland ist mehr als nur ein organisatorisches Ärgernis, er ist eine soziale Bewegung, der sich vor allem in Ostdeutschland ganze Jahrgangsgruppen anschließen. Soziale Bewegungen, das sollten vor allem Grüne wie der K-Gruppen-bewegte Bundesumweltminister Jürgen Trittin wissen, lassen sich nicht durch Verbote bekämpfen. Die rechte Szene ist in Kameradschaften, Zellen, Cliquen und jugendsubkulturellen Milieus organisiert. Im Notfall kann sie mühelos auf die Kader der NPD verzichten. Viele der (Tod-)Schläger tun dies bereits heute, da ihnen die Ermahnungen der NPD-Kader zu parlamentarischer und kleinbürgerlicher Disziplin zu spießig sind.

Nicht ein Verbot neonazistischer Organisationen verhinderte in den letzten zehn Jahren Schlimmeres. Es war die autonome Antifa. Sie kennt die Akteure, ihre Treffpunkte und Wohnungen am besten; sie trat ihnen am konsequentesten entgegen. Auch dann, als die Gesellschaft das Thema verdrängte. Vielleicht wäre sie ein würdiger Kandidat für den diesjährigen Friedenspreis des deutschen Buchhandels – würdiger, als es zum Beispiel Martin Walser vor zwei Jahren war.

EBERHARD SEIDEL

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