CO2-Reduktion in der Stahlindustrie: Der Kaninchen-Katalysator
Der Stahlkonzern Arcelor Mittal will Chemieabfälle recyceln und CO2 reduzieren. Dabei behilflich ist ein Bakterium aus dem Kaninchendarm.
Das Verfahren verspricht doppelten Nutzen für die Umwelt: Neben der Reduzierung des Klimakillers CO2 werden Ressourcen eingespart. Bisher wird Biotreibstoff meist aus Zuckerrohr und Mais hergestellt. Mittals Stahlwerk in Belgien wäre die erste großtechnische Anwendung weltweit. 87 Millionen Euro will der Konzern aus Luxemburg investieren.
Das Verfahren baut auf die sogenannte Gasfermentierung auf, entwickelt hat es die neuseeländische Firma Lanza-Tech. Als Fermentierung bezeichnen Ingenieure die chemische Umwandlung von Stoffen durch Kleinstlebewesen. Lanza-Tech setzt Kohlenstoffmonoxid als Ausgangsstoff dieses Vorgangs ein: Das bei der Stahl- und Eisenproduktion anfallende Kohlenstoffmonoxid wird üblicherweise verbrannt, wobei CO2 entsteht.
Pro Tonne Rohstahl werden etwa 1,35 Tonnen CO2 durch die Schornsteine in die Luft gejagt. Ein natürlich vorkommendes Bakterium soll nun stattdessen als Katalysator dienen. Dieses hatte Lanza-Gründer Sean Simpson ursprünglich im Darm eines Kaninchens entdeckt. Mit der Hilfe des Bakteriums entsteht aus dem Kohlenmonoxid Bioethanol, dass etwa normalem Benzin beigemischt wird.
2012 hatte Lanza-Tech die industrielle Gasfermentierung erstmals ausprobiert – laut Firmenangaben erfolgreich. Doch wie ökologisch ist das Vorgehen? Von „bio“ zu sprechen, wie es Mittal tut, hält Bernd Meyer, Professor für Energieverfahrenstechnik an der TU Bergakademie Freiberg, für übertrieben. Green-Washing betreibe der Konzern aber nicht. Das Verfahren sei an sich „effizient und sauber“. Ob es allerdings genügend Leistung für Großanlagen erbringe und auf Dauer stabil funktionierte, sei „noch offen“, warnt Meyer.
Weitere Anlangen geplant
Erprobt hat Lanza-Tech seine Technologie in mehreren kleineren Pilotanlagen in China. Die chinesischen Stahlerzeuger Baosteel und Shougang gelten auch als die nächsten Kaufinteressenten. Zu der technischen Umsetzung trug Siemens bei. Im Sommer 2013 schloss der deutsche Multi ein Abkommen mit den Erfindern von Lanza-Tech für die nächsten zehn Jahre. Gemeinsam wurde das Verfahren optimiert und soll nun vermarktet werden.
Arcelor Mittal will noch in diesem Jahr mit dem Bau seiner Fermentierungsanlage in Gent beginnen. Die Europäische Union beteiligt sich mit 10 Millionen Euro. Sobald die „wirtschaftliche Rentabilität des Projekts bewiesen ist“, sollen ähnliche Anlagen in anderen Stahlwerken von Mittal errichtet werden, teilt der Konzern mit. Würden alle europäischen Werke, darunter das Hamburger, mit der neuen Technik nachgerüstet, könnte Mittal nach eigenen Angaben rund 500.000 Tonnen Ethanol pro Jahr erzeugen – was einem Zehntel des heutigen europäischen Bioethanolbedarfs entspräche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!