CDUler zu Residenzpflicht für Minister: „Sie arbeiten nicht mit Herzblut“
Daniel Günther, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, fordert eine Residenzpflicht für Kabinettsmitglieder. Warum?
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taz: Herr Günther, neulich forderte Ihre CDU-Fraktion Schweinefleisch in Kitas, heute eine Residenzpflicht für Landesminister – konkurrieren Sie neuerdings um den Rekord, wer die meisten absurden Anträge stellt?
Daniel Günther: Beim Schweinefleisch ging es nur darum, eine Wahlmöglichkeit zu erhalten – hätten wir eine Schweinefleischpflicht gefordert, wäre das wirklich etwas absurd. Das Thema Residenzpflicht beschäftigt uns, weil zurzeit drei von sieben Ministerinnen und Ministern im schleswig-holsteinischen Kabinett in Hamburg wohnen, fast die Hälfte der Regierung. Wir merken, dass sie nicht mit vollem Einsatz und Herzblut für unser Land arbeiten.
Konkret – wie macht sich das bemerkbar?
Bildungsministerin Britta Ernst verhandelt seit Jahren mit Hamburg über das Gastschulabkommen, ohne zu einem guten Ergebnis zu kommen. Dass Tourismusminister Meyer für den ,echten Norden’ wirbt, aber dort nicht lebt, passt einfach nicht zusammen. Und Gesundheitsministerin Kristin Alheit ist auch in Krisen nicht in der Lage, einen Ausschuss zu besuchen, weil sie weit weg ist.
Es gibt weitere Wege im Flächenland als von Kiel nach Hamburg – wären auch Menschen von Inseln oder Halligen für Regierungsposten ausgeschlossen?
Es geht nicht um einen Wohnsitz in Kiel, sondern um die Bindung ans Land, auf dessen Verfassung die Minister schließlich bei ihrem Amtsantritt schwören. In Hamburg gilt beispielsweise die Residenzpflicht, und ich denke, Hamburger, aber auch Bayern wären höchst erstaunt, wenn ihre Repräsentanten aus einem anderen Bundesland anreisen.
Damit wäre Bildungsministerin Ernst besonders betroffen. Schließlich dürfte ihr Mann, Olaf Scholz, als Hamburger Bürgermeister auch nicht umziehen. Was raten Sie dem Ehepaar? Trennung?
Es ist schwierig, den Einzelfall zu verhandeln. Aber natürlich muss man sich fragen, ob es glücklich ist, Lebenspartner von Spitzenpolitikern in ein andres Landeskabinett zu berufen. Wir hätten den Lebenspartner von Ole von Beust nicht gewählt.
Die CDU Schleswig-Holstein müsste vermutlich auch über die Landesgrenzen hinweg nach ministrablen Personen suchen – so prominent besetzt sind Ihre Reihen schließlich nicht.
Wir sagen durchaus, dass man jenseits des Tellerrands suchen kann, und das wird unser Spitzenkandidat Ingbert Liebing sicher tun, wenn es soweit ist. Aber wir verlangen, dass die gewählten Minister nach angemessener Zeit nach Schleswig-Holstein ziehen.
Sie haben die schöne Kategorie „Herzblut“ als neue Qualifikation für Kabinettsmitglieder eingeführt. Wenn wir mal zurückschauen, gab es in jüngerer Vergangenheit zwei Minister, die sowohl Herzblut als auch einen Dauerwohnsitz im Land hatten: Dietrich Austermann von der CDU und Andreas Breitner, SPD. Beide sind vor Ende der Wahlperiode zurückgetreten.
Bei Dietrich Austermann lag es am Lebensalter. Andreas Breitner hätte meiner Meinung nach durchaus weitermachen sollen. Also, stimmt: Der Wohnort allein reicht nicht als Qualifikation.
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