CDUler hetzt im Netz: Kritik an der Linken mit Z-Wort
Der CDU-Abgeordnete Timur Husein verunglimpft Sinti und Roma in einem Instagram-Post. Initiativen sehen darin eine Anbiederung an die AfD.
Bei der CDU ist der Wahlkampf offenbar eröffnet. Der Abgeordnete Timur Husein aus Friedrichshain-Kreuzberg erklärt auf Instagram und anderen Kanälen, wen man im kommenden Jahr auf keinen Fall wählen darf und warum. „LINKE-Bürgermeisterkandidatin @eliferalp möchte, dass alle illegalen Sinti & Roma (Z*g*n*r) aus dem Ausland in Berlin bleiben dürfen (so im Neues Deutschland). Neuer Pull-Faktor für weitere illegale Einwanderung“, schreibt er. Das Wort Z*g*n*r schreibt er selbst dabei komplett aus.
Dazu muss man wissen: Husein ist nicht irgendein Hinterbänkler, sondern sitzt für seine Fraktion in der Enquete-Kommission „Für gesellschaftlichen Zusammenhalt, gegen Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jede Form von Diskriminierung“.
Für die Vorsitzende des Berliner Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V., Dotschy Reinhardt, reiht sich die Aussage ein „in die verbal-rassistische Hetze der AfD und von Populisten, die sich der AfD politisch annähern möchten“, wie sie am Mittwoch der taz sagte.
Gerade die Verwendung der rassistischen Fremdbezeichnung „Z*g*n*r“ in einem diskriminierenden Zusammenhang werde als volksverhetzend empfunden „und besorgt die Minderheit sehr“. Husein setze auf „tief verwurzelte, antiziganistische Narrative“, indem er das Z-Wort verwendete „und Sinti und Roma pauschal als ‚illegal‘ beschreibt, obwohl Sinti seit 600 Jahren im Land leben.“ Vor dem Hintergrund nachweisbarer, stetig anwachsender antiziganistischer Angriffe seien solche Aussagen besonders beunruhigend, sagt Reinhardt.
„NS-Vokabular“ und „widerliche Sprache“
Auch im politischen Berlin sorgt das Statement für große Empörung. Der Grünen-Abgeordnete Vasili Franco kommentierte auf Bluesky: „Das ist Timur. Er ist Sprecher für Antisemitismusbekämpfung der CDU. Er schürt gerne Verschwörungserzählungen, hat kein Problem mit NS-Vokabular und träumt von Massenabschiebungen.“ Sein Steglitz-Zehlendorfer Bezirkskollege Daniel Eliasson sprach Husein auf X ganz direkt an: „Du bist eine Schande für das Berliner Abgeordnetenhaus. Sinti und Roma wurden im Porajmos massenhaft ermordet und du wertest sie mit deiner widerlichen Sprache ab.“
Auch Violeta Balog, stellvertretende Vositzende der Roma-Selbsthilfeorganisation Amaro Foro, ist von Huseins Statement entsetzt. Als Ansprechpartner für Antisemitismus in seiner Fraktion sollte ihm die Tragweite des Holocaust und die deutsche Erinnerungskultur ein Begriff sein, sagte sie der taz. „Angehörige der Minderheit wurden unter der rassistischen Fremdbezeichnung vefolgt, verschleppt und ermordet. Ihnen wurde der Buchstabe „Z“ in den Konzentrationslagern in die Haut tätowiert.“ Die Verwendung des Begriffs sei „retraumatisierend, abwertend und beleidigend“.
Der Berliner Flüchtlingsrat sieht mit der Äusserung unter Umständen sogar einen „Anfangsverdacht der Volksverhetzung“ gegeben, wie Emily Barnickel für den Rat auf Instagram schreibt. Man habe auch schon bei der Ombudsstelle zum Landesantidiskriminierungsgesetz angefragt, ob Husein mit der Einlassung nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoße. „Wahlkampf darf nicht ausgrenzen, verhetzen, beleidigen und diskriminieren“, stellt der Flüchtlingsrat klar.
Derweil geht der Streit auf Social weiter. Das mit dem NS--Vokabular wollte Husein nicht auf sich sitzen lassen: „Viele Menschen wissen nicht, was Sinti & Roma sind. Außerdem wird der Begriff in der Klammer oft als Eigenbezeichnung verwendet“, schreibt er. Dann fährt er etwas konfus fort: „Ich persönlich verwende den Begriff grds. nicht, aber ich lasse mir auch nicht vorwerfen ein Nazi zu sein, wenn ich den Begriff doch verwende.“
Vorwurf der Geschichtsvergessenheit
Barnickel vom Flüchtlingsrat geht da der Hut hoch: „Dass Timur Hussein nun beginnt, Betroffene zu belehren und gleichzeitig darauf besteht, das Wort aus NS-Vokabular zu verwenden, damit andere Menschen klar verstünden, gegen wen er hetzen will, macht den Umstand nur schlimmer.“
Auch Reinhardt meint, dass Husein offenbar nicht nur eine Lektion in Sachen Minderheitenrechte, sondern auch eine Einführung in Holocaust-Geschichte benötige. „Gerade als Deutscher Politiker sollte er wissen, dass der Holocaust auch die Vernichtung einer halben Millionen Sinti und Roma bedeutet und dass diese Tatsache eine Verantwortung mit sich bringt.“
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