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CDU verdruckst Analyse der NiederlageHerausfordernder Gleichmut

Endlich kommt Merkels versprochene Wahlanalyse. Aber statt um eine kritische Bestandsaufnahme dreht sich fast alles um den Machterhalt.

Etwas angegriffen: Merkel-Plakat nach der Bundestagswahl in Bonn Foto: reuters

BERLIN taz | Es war ohne Frage ein miserables Ergebnis. Als am Wahlabend die Erkenntnis reifte, dass die Union bei der Bundestagswahl 8,5 Prozentpunkte eingebüßt hatte, gab es enttäuschte Gesichter im Konrad-Adenauer-Haus. Wochenlang hatte man für die CDU getrommelt, tapfer hatte die Junge Union an Haustüren geklingelt, immer wieder hatte sich Angela Merkel von Wutbürgern anpöbeln lassen. Und dann das: 32,9 Prozent. Klar, es reichte noch für den Regierungsauftrag. Aber: Darüber würde zu reden sein.

Tags darauf, bei ihrer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus, war Angela Merkels Maß an Selbstkritik überschaubar. Man habe in den Partei­gremien „eine nüchterne Analyse“ vorgenommen, sagte sie da. Warum die Union 1,3 Millio­nen Wäh­lerInnen an die FDP und 1 Million an die AfD verloren habe, werde noch besprochen, und zwar „in einer Klausur, die wir nach der niedersächsischen Landtagswahl durchführen werden“.

Acht Wochen ist das nun her. Aus der Landtagswahl ist schon eine Große Koalition in Hannover hervorgegangen, in Berlin schraubt Merkel verbissen an Jamaika. Und am Freitag beginnt die versprochene Klausur. Aber seltsam, tatsächlich wird es an den beiden Tagen vor allem um Machtgestaltung statt um Analyse gehen.

Am Freitag berät nämlich der Bundesvorstand über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP. Nach der nachmittäglichen Unions-Fraktionssitzung soll in den CDU-Gremien dann wirklich über das Wahlergebnis geredet werden.

Impuls vom Historiker

Allerdings wieder nicht miteinander. Stattdessen halten der Historiker Paul Nolte und der Soziologe Ortwin Renn Impulsreferate. Das war’s im Großen und Ganzen mit der innerparteilichen Analyse – am Samstag stehen die Themen Jamaika und Parteitag auf der Agenda.

Kommt Angela Merkel damit tatsächlich durch? Am Tag nach der Bundestagswahl hatte sie auf die Frage nach ihrer Verantwortung für das Wahlergebnis geantwortet: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten.“ Es war ein Satz, der ihre innerparteilichen Kritiker aufbrachte.

Klar war: Über die 32,9 Prozent bei der Bundestagswahl würde noch zu reden sein

JU-Chef Paul Ziemiak forderte daraufhin eine „ehrliche Analyse“ ein; Carsten Linnemann, Chef der Mittelstands-Union, eine konservativere Positionierung. Und als Mitte Oktober in Österreich der rechtskonservative Sebastian Kurz die Wahl gewann, postete Präsidiumsmitglied Jens Spahn ein Selfie mit dem Sieger. Fehlte nur, dass er druntergeschrieben hätte: So geht das, Angela.

Man wird sehen, ob die CDU ihrer Vorsitzenden ihren herausfordernden Gleichmut durchgehen lässt. Gut möglich, dass bei der freitäglichen Unions-Fraktionssitzung die Fetzen fliegen. Und in vier Wochen ist ein CDU-Parteitag geplant.

Läuft alles nach dem Jamaika-Fahrplan, soll dort über die neue Koalition gesprochen werden. Man wird sehen, ob Merkel das eine bekommt, ohne das andere gewährt zu haben.

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