CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther: Ausdauersportler im Spagat
Die CDU in Schleswig-Holstein verschleißt Vorsitzende wie sonst nur der HSV seine Trainer. Der neue Mann heißt Daniel Günther und hat sich viel vorgenommen.
Der war im August 2011 über seine Affäre mit einer 16-Jährigen gestolpert und war damit der erste einer Kette von vier Landesvorsitzenden, die es nach der Manier von HSV-Trainern allerhöchstens zwei Jahre im Amt hielt. „Ich trete an, um die Partei lange zu führen“, sagt hingegen Daniel Günther im Gespräch mit der taz.nord. „Ich will der CDU Schleswig-Holstein endlich wieder Kontinuität geben. Mein langfristiges Ziel ist die Modernisierung der Partei aus der Regierung heraus im Lauf der nächsten Legislaturperiode.“
Ziel: die Partei modernisieren
Dafür hofft Günther, nach eigenen Angaben „gläubiger Katholik“, sogar einen Spagat zu bewältigen, bei dem man sich leicht eine Zerrung zuziehen kann: „Unsere Linie muss sein, konservativ in der Sicherheitspolitik zu bleiben und in der Gesellschaftspolitik modern zu sein.“
Mit diesem Kurs will der Politologe die Probleme der CDU im höchsten Norden lösen. Die sind lange bekannt, denn es sind seit Jahren dieselben, aber beseitigen konnte sie noch niemand: Die CDU, die auf dem Land so stark ist, dass sie fast alle Wahlkreise direkt gewinnt, schwächelt enorm in den Städten. Weil die Partei mehr Direktmandate erringt, als ihr aufgrund des Zweitstimmen-Ergebnisses zustehen würden, kommt bei Landtagswahlen die Liste nicht zum Zuge. Damit haben Frauen, die gute Listenplätze, aber keine Wahlkreise haben, schlechte Karten, ebenso Männer aus städtischen Wahlkreisen, weil die traditionell an die SPD gehen.
Dass der jugendlich wirkende 43-Jährige der Richtige sein soll, um die Männerpartei CDU zu neuen Ufern zu führen, wird auch außerhalb seiner Fraktion bezweifelt. „Ein Leichtgewicht“ sei er, raunen böse Zungen im Landeshaus. Ein als besonders spottlustig berüchtigter Abgeordneter nennt Günther „den ewigen Abiturienten“. Der nimmt das gelassen. Er sehe eben jünger aus als er sei, schmunzelt er. Aber an seinem Durchhaltevermögen zweifelt der Hobbyläufer nicht: „Ich bin Ausdauersportler.“
Und so versucht Günther sich nun, ein halbes Jahr vor der Wahl, am Erbe des Peter Harry Carstensen, der von 2005 bis 2012 als Ministerpräsident und Parteichef die CDU im nördlichsten Bundesland prägte. Der trinkfeste Agraringenieur von der Insel Nordstrand, der keinem Volksfest fernblieb und nie um einen lockeren Spruch verlegen war, verkörperte als letzter prominenter Christdemokrat die Verbundenheit der Partei mit der heimischen Scholle: Bauern und Jäger, Konservative und Gottesfürchtige fanden in dem weißblonden Hünen den Recken, der sie vor zu viel Neumoderne bewahrte. Doch seit Carstensen 2012 mit 65 Jahren in den politischen Ruhestand trat, wird seine Partei vom permanenten Unruhestand durchgeschüttelt.
CDU ohne Frauen „nicht attraktiv“
Günther spricht deshalb von einer „eklatanten Schwäche“ in den Städten und gibt zu, dass die Frauenförderung lange verpasst worden sei: „Wir müssen Frauen gezielt ansprechen – das ist eine Führungsaufgabe.“ Selbst über die Quote, bei der CDU seit Jahren ein Streitthema zwischen Frauen-Union und Vorstand, könne nachgedacht werden. „Ich lehne die Frauenquote nicht ab“, sagt Günther: „Eine CDU, die nicht mit Frauen antritt, ist auf Dauer nicht attraktiv.“
Blöd nur, dass auch der Landesvorsitzende die Kreisverbände nicht dazu zwingen kann, Frauen aufzustellen. Aber Günther hofft auf die Einsicht: „Auch der ländliche Raum hat nichts gegen gute Frauen.“ In mehreren ländlichen Kreisen sind Frauen erfolgreiche Vorsitzende, und generell sei die Landes-CDU in solchen Fragen offen.
„Die CDU Schleswig-Holstein darf konservativ sein, aber ohne modernen Verbraucherschutz und Offenheit für alle Lebensweisen geht es gar nicht“, sagt Günther. Er, der mit einer Ärztin verheiratet und Vater einer zehnmonatigen Tochter ist, hat sich für die Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren ausgesprochen und dafür auf Bundesebene Kritik geerntet – aber Lob aus der Landespartei.
Und Themen wie Naturschutz beurteilen in Zeiten des Klimawandels selbst Bauernverbände nicht mehr ideologisch. Für den designierten Parteichef ist klar: „Wir müssen uns für die Gruppen mit einem urbanen Lebensstil öffnen, sonst treiben wir sie in die Hände der Grünen.“
Der Traum von „Jamaika“
Dass Daniel Günther mit den Grünen kann, ist bekannt. „Jamaika wäre mir schon lieb“, sagt er auf die Frage nach möglichen Regierungspartnern. Noch schöner als der Dreierbund mit Liberalen und Grünen wäre für die CDU jedoch eine Zweierkoalition mit der FDP – wenig überraschend, weil dann über Themen wie Ausbau der Autobahn A20 oder die Fehmarnbelt-Querung nicht lange gestritten werden müsste.
Ein Hauptfaktor im Wahlkampf wird die AfD sein. Auch wenn der AfD-Landesverband bisher nur durch Streit aufgefallen ist – gerade die CDU muss sich mit der Konkurrenz von rechts befassen. Aber selbst mit einem strikten konservativen Kurs könne die CDU die AfD nicht verhindern, glaubt Günther. „Das geht nur mit Problemlösungen.“
Durch rechte Parolen oder populistische Kampagnen werde die CDU nicht versuchen, Stimmen aus dem AfD-Lager zu erobern, verspricht Günther: „Wer die AfD wählt, weil er was gegen Homosexuelle hat, dem können wir keine Heimat bieten. Wer konsequentes Vorgehen gegen Bandenkriminalität will, dem dagegen schon.“
Fraktion auf Krawall gebürstet
Dass passt allerdings nicht ganz zum Verhalten der CDU-Landtagsfraktion, die gerade unter Daniel Günther seit zwei Jahren auf scharfen Angriff auch bei kleinen Themen gebürstet ist: Mal ging es um Schweinefleisch in Kitas, mal um den Zwang für Landesminister, im Land zu leben. Glück für die Opposition war, dass Albigs MinisterInnenriege häufig Angriffsflächen bot.
Die ehemalige Bildungsministerin Wara Wende hatte sich einen Rückkehrvertrag für ihre Uni schreiben lassen, die Justizministerin Anke Spoorendonk nach einer Geiselnahme im Lübecker Gefängnis unkritisch ihre Leute in Schutz genommen und Sozialministerin Kristin Alheit geriet über den Friesenhof-Skandal ins Stolpern. Fehler und Schwächen zu benennen, Themen zu platzieren sei okay, findet Günther. „Populistisch wird es, wenn man Leute diffamiert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“