CDU-Politikerin Karin Prien: Giftiges Zwischenzeugnis für Bildungsministerin
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) könnte ins Bundeskabinett wechseln. Im Norden gibt es viel Kritik an ihrer Schulpolitik.

Seine Bilanz fällt giftig aus: Für ihre Leistungen in der Landespolitik würde Habersaat der Ministerin nur eine Vier minus geben. Doch vielleicht passe die Aufgabe auf Bundesebene besser zu ihren Talenten, so Habersaat. Denn Schulpolitik ist Ländersache, entsprechend geringer ist der Einfluss des Bundes.
„Schleswig-Holstein ist den vergangenen Jahren in allen Bereichen abgerutscht“, sagte Habersaat. Beispiel Schulabbrüche: Im Jahr 2018 schieden rund neun Prozent der Jugendlichen ohne Abschluss aus. 2022/23 waren es 11,4 Prozent. Bei der Inklusionsquote, also der Zahl von Kindern mit Behinderungen in Regelschulen, sanken die Werte von gut 70 auf knapp 66 Prozent.
Es fiel auch mehr Unterricht aus, im vergangenen Schuljahr knapp zwölf Prozent, im Vergleich zu 2017/18 mit knapp zehn Prozent, sagte Habersaat, der sich auf Quellen des Ministeriums bezog. Er bescheinigte Karin Prien, „fleißig und präsent“ zu sein und ihr Ministerium gut im Griff zu haben. „In einem Zeugnis würde ich schreiben: Für sie spricht, dass sie es geschafft hat, immer für höhere Aufgaben im Gespräch zu bleiben.“
Seit 2017 Bildungsministerin
Die nächste mögliche Aufgabe könnte in Berlin liegen, falls der vermutlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz die Juristin in sein Kabinett beruft. Prien, 1965 in Amsterdam geboren, gehört der CDU seit 1981 an. Bereits als Studentin arbeitete sie im Presseteam des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.
Die Anwältin saß in der Hamburger Bürgerschaft, bis Ministerpräsident Daniel Günther sie 2017 als Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturministerin in Schleswig-Holstein berief. Zurzeit gehört Prien, auch durch ihre Präsenz auf Social Media, zu den bekanntesten Mitgliedern des Landeskabinetts. In der Bundes-CDU leitet sie den Fachausschusses Bildung, Forschung und Innovation und ist Sprecherin des Jüdischen Forums der CDU.
Doch die Ministerin habe wenig Konkretes getan, um die Lage an den Schulen zu verbessern, meint Habersaat. Es gebe immer wieder Pilotprojekte, die aber in der Fläche nichts helfen würden. Zum Beispiel würden in Hamburg alle Kinder im Vorschulalter getestet, um mögliche Probleme früh zu erfassen. In Schleswig-Holstein solle das Verfahren in wenigen Modell-Kitas starten.
Auch den Umgang mit den Lehrkräften kritisierte Habersaat. Aus Angst davor, dass sich Quereinsteiger:innen einklagen könnten, würden deren befristete Verträge bereits nach zwei Jahren nicht mehr verlängert.
Die Angst der Quereinsteiger:innen
Offiziell bestätigt sei das nicht, aber „wir bekommen zurzeit vermehrt Anfragen von Vertretungslehrkräften, die Angst haben, nicht weiterbeschäftigt zu werden“, sagt Kerstin Quellmann, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Dabei geht es um Menschen, die gern in der Schule arbeiten wollen – dieses Potential ließe sich nutzen, wenn man sie fortbilden und qualifizieren würde.“ Unter diesen Umständen werde es immer schwieriger, Personen für den Unterricht zu finden.
Dabei fehlt es bereits jetzt an Lehrkräften. Das Ministerium hatte darauf reagiert, indem Stunden gestrichen und Lerngruppen vergrößert wurden. Etwa im Bereich Deutsch als Zweitsprache (DAZ), wo jetzt 18 statt 16 Kinder in einer Klasse sitzen. „Schon vorher waren die Gruppen zu groß, jetzt wird es schlimmer“, sagt Quellmann. Auch die Kinder und Jugendlichen würden so entmutigt.
Das Bildungsministerium wiest die Kritik zurück: „Guter Unterricht ist mehr als die Anzahl der Wochenstunden. Es geht um Quantität und um Qualität“, sagt Ministeriumssprecherin Beate Hinse. Für eine Bilanz sei es der falsche Zeitpunkt, schließlich „befinden wir uns mitten in der aktuellen Legislaturperiode“.
Daher seien viele Themen von Lehrkräftegewinnung bis vorschulische Tests in Arbeit und würden umgesetzt. Zudem hatte Ministerin Prien im Landtag auf die steigenden Belastungen durch die „deutlich wachsenden Zahl der Schülerinnen und Schüler, auch bedingt durch die Zuwanderung“, hingewiesen.
Kerstin Quellmann von der GEW sieht es anders: „Die Ministerin argumentiert, dass die Leistungen bei PISA und anderen Tests sinken, weil mehr Kinder mit Migrationshintergrund oder Behinderung im System sind. Aber das Niveau sinkt nicht wegen der Kinder, sondern weil die Schulen nicht richtig ausgestattet sind.“
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