CDU-Parteitag in Berlin: Standing Ovations für die Kanzlerin
Angela Merkel hat die Reihen hinter sich geschlossen. Die Groko und die neue Generalsekretärin wurden deutlich durchgewunken.
Rund eine Stunde hatte Merkel zuvor für den Koalitionsvertrag der Union mit der SPD geworben. Fünf Monate nach der Bundestagswahl müsse die Union den Weg für eine „stabile, handlungsfähige Bundesregierung“ ebnen. Ausführlich stellte sie die aus ihrer Sicht positiven Seiten des Vertrags heraus, von der Unterstützung von Familien, dem „deutlichen Schwerpunkt“ auf Pflege und Gesundheit sowie der „Null Toleranz“-Linie in der inneren Sicherheit. „Wir haben hart gerungen, wir mussten Kompromisse eingehen, aber wir haben auch viel durchgesetzt“, sagte sie.
Es war eine sorgsam ausbalancierte Rede: eine Prise Selbstkritik, etwas nachdenklich, aber vor allem darum bemüht, ihrer Partei neue Zuversicht nach dem schlechten Abschneiden bei der Wahl im September zu geben. „Wir wären doch nicht die CDU, wenn wir uns deprimiert in Selbstfindungskurse begäben“, lautete ihre Botschaft. „Nein, unsere Haltung ist: Wir wollen es besser machen.“
Merkel räumte abermals ein, dass das Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl enttäuschend gewesen sei. „Das Ergebnis entspricht nicht unseren Ansprüchen“, sagte sie. Gleichzeitig betonte sie, dass ohne die Union weiterhin keine Regierung gebildet werden könne. „Wir werfen einen Regierungsauftrag doch nicht einfach vor die Füße der Wählerinnen und Wähler, weil wir uns mehr Prozentpunkte gewünscht hätten.“
Verantwortlich für die Verluste machte sie ein Unbehagen in der Bevölkerung, das erstens die Funktionsfähigkeit staatlicher Institutionen betreffe, was durch die Flüchtlingskrise verstärkt worden sei, zweitens den technischen Fortschritt etwa durch die Digitalisierung und drittens die Entwicklungen der Welt um Deutschland und Europa herum. Das starke Abschneiden der AfD zeige, dass die CDU „vor völlig neuen Herausforderungen“ stehe. Gleichzeitig sagte sie Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit den Kampf an. „Diejenigen, die mit platten und hasserfüllten Parolen durch unser Land ziehen, werden auf unseren entschlossenen Widerstand treffen“, sagte sie.
Notwendig sei nun eine „neue Dynamik für Deutschland“. Dafür sei die CDU gut aufgestellt: „Wir haben eine starke Mannschaft, liebe Freunde.“ Die Delegierten hörten es gerne. Selbstverständlich gab es in der anschließenden mehrstündigen Aussprache auch kritische Stimmen, aber sie bleiben deutlich in der Minderheit. Selbst der als Merkel-Kritiker geltende designierte Gesundheitsminister Jens Spahn hielt ein flammendes Plädoyer für den Koalitionsvertrag – und verkniff sich jegliche Spitze gegen die Chefin. Dazu beigetragen hat sicherlich, dass die Kanzlerin im Vorfeld mit ihrer ausgeklügelten Personalpolitik gerade ihm mächtig Wind aus den Segeln genommen hat.
Gute Stimmung
Das prominenteste Contra kam denn auch von niemandem aus der ersten oder zweiten Reihe, sondern von dem früheren hessischen CDU-Fraktionschef Christean Wagner. „Wir haben rechts von uns Platz gemacht“, sagte der 74-jährige Konservative mit Blick auf das Erstarken der AfD. Die CDU müsse nun dafür sorgen, die nach Rechtsaußen abgewanderten Wählerinnen und Wähler wieder zurückzuholen. Das schlechte Wahlergebnis schreie nach einer Fehleranalyse. Als Beispiel nannte Wagner den Kurs von Merkel in der Flüchtlingskrise.
Noch deutlicher wurde der Ravensburger CDU-Delegierte Eugen Abler, auch bereits ein älteres Semester. „In einem langen Prozess haben Sie die Partei nach links geführt“, hielt er der Kanzlerin vor. Inbrünstig wetterte er gegen „kulturfremde Wirtschaftsmigranten“, beklagte eine vermeintliche „schleichende Islamisierung“ und geißelte die „Ehe für alle“, die „gegen das Schöpfungsgesetz Gottes“ sei. Schließlich forderte Abler „das Bekenntnis des Staates zum Kreuz“. Beifall erhielt der christliche Fundamentalist nicht. Sein Beitrag wurde schlichtweg ignoriert.
Angela Merkel
Nichts sollte die ansonsten erstaunlich gute Stimmung trüben. „Dieser Parteitag ist ein Parteitag des Aufbruchs und der Zuversicht“, jubilierte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Die Beschlussfassung über den Koalitionsvertrag am Nachmittag geriet zur Formsache. Nachdem der Parteitag eine geheime Abstimmung abgelehnt hatte, votierten gerade mal 27 Delegierte mit Nein.
Nicht minder eine Formsache war die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Generalsekretärin. Dass ihre Nominierung der wohl cleverste Schachzug Merkels in letzter Zeit gewesen ist, zeigte sich bereits an den Beifallsstürmen während der Bewerbungsrede der bisherigen saarländischen Ministerpräsidentin. „Der Star ist die Mannschaft, der Star ist die CDU“, sagte sie in ihrer umjubelten Rede. Kaum jemand verfügt in der CDU flügelübergreifend über eine derartig hohe Akzeptanz. Entsprechend deutlich fiel ihr Wahlergebnis aus: mit 98,8 Prozent wurde sie gewählt.
Die Frauenspitze
Nun stehen also mit Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer erstmalig zwei Frauen an der Spitze der CDU. Auch die Riege der designierten CDU-Regierungsmitglieder ist deutlich weiblicher geworden. Doch bisweilen sind es die vermeintlichen Nebensächlichkeiten, an denen sich ablesen lässt, wie es tatsächlich um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Parteien bestellt ist. Auf dem Berliner Parteitag der CDU reicht eigentlich schon ein Blick durch die Delegiertenreihen, um zu sehen, wie weit der Weg tatsächlich noch ist.
Noch deutlicher wird das ungleiche Geschlechterverhältnis jedoch, wenn man sich die Parteitagsgremien anschaut. Im fünfköpfigen Tagungspräsidium sitzt gerade mal eine Frau, die Mandatsprüfungskommission ist rein männlich, der Stimmzählkommission gehören zehn Männer und vier Frauen an, in der Antragskommission sind 28 Mitglieder männlich und nur acht weiblich.
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