Bus­fah­re­r:in­nen im Arbeitskampf: Unwürdige Bedingungen

Wer auf dem platten Land Bus fährt, muss auch auf dem platten Land die Pausen machen – ob mit oder ohne Toilette. Die Fah­re­r:in­nen protestieren.

Linienbus zwischen Feldern

Niedersachsens Einöde lädt nicht gerade zum Verweilen ein – und auch nicht zum Pipi machen Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Das Problem ist altbekannt und typisch für das platte Land: Wenn Bus­fah­re­r:in­nen am Wendepunkt einer langen Tour über die Dörfer ihre vorgeschriebenen 20 bis 30 Minuten Pause machen, gibt es da oft kein Klo. Manche Busunternehmen behelfen sich mit kleinen Deals mit örtlichen Bäckereien oder Supermärkten. Aber hier und da im Nirgendwo geht auch das nicht. Dann stellt man ein Dixi-Klo auf, meist versteckt in einem Holzverschlag oder hinter ­einem Metallzaun.

In der Region Hannover sind die Bus­fah­re­r:in­nen gerade aufgebracht, weil sich selbst diese Behelfslösung noch etwas schlimmer einrichten lässt: Die stationären Toilettenanlagen, beklagen sie, sind uralt und die Dixi-Klos werden nur ein- bis zweimal pro Woche geputzt, und in den Tagen dazwischen sind die Wassertanks genauso leer wie die Seifenspender. Was sie besonders fuchst, ist, dass auf ihre Beschwerden nicht reagiert wird.

Dabei ist ihr Arbeitgeber keineswegs einer dieser Ausschreibungsgewinnler, wie sie regionalen Anbietern mit Dumpingpreisen das Leben schwer machen. Nein, die Regiobus ist ein Tochterunternehmen der Region, mithin öffentlich. Und gibt sich sehr gerne sehr progressiv, zumal man ja ständig auf Personalsuche ist.

Erst im März trumpfte das Unternehmen damit auf, künftig von einem Frauentrio geführt zu werden. Elke van Zadel, Denise Hain und Regina Oelfke fungieren hier als Geschäftsführerinnen, sind zugleich auch Vorständinnen des hannoverschen Nahverkehrsunternehmens Üstra. Das wiederum verkündete im Sommer ganz groß, künftig auf den Begriff „Schwarzfahren“ zu verzichten.

Wenn es aber darum geht, auf die eigenen Mit­ar­bei­te­r:in­nen zu hören, statt wohlfeile Marketingaktionen zu ergreifen, ist man etwas weniger fix. Auf einer Betriebsversammlung im August eskalierte der Konflikt: Von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen sprachen die Fahrer:innen. Ihren Angaben zufolge soll sich die Geschäftsführung sogar zu der Aussage verstiegen haben, der Betriebsrat solle sich doch mal Gedanken machen, wie man eine häufigere Reinigung finanzieren könne.

Mehr Verständnis von der Chefin?

Fahrerin Jenny Russ ist enttäuscht: „Ich hätte halt erwartet, dass die als Frauen eher ein Verständnis dafür haben, dass wir ja nicht wie die Männer mal eben in die Büsche gehen können. Und dass wir – vor allem wenn wir einmal im Monat unsere Regel haben – uns auch dringend die Hände waschen möchten, bevor wir wieder Tickets ausgeben oder in unser Pausenbrot beißen. Von Hygieneregeln gegen Corona jetzt mal ganz zu schweigen.“

Mittlerweile, sagt der zuständige Gewerkschaftssekretär von Verdi, habe man sogar schon das Gewerbeaufsichtsamt in Marsch gesetzt – und auch das habe darauf hingewiesen, dass die Toiletten häufiger gereinigt werden müssten.

Das Unternehmen zeigt sich von der massiven, öffentlich gemachten Kritik überrascht: „Natürlich wissen wir, dass das ein schwieriges Thema ist, das immer wieder für Unmut sorgt. Aber wir sind ja auch schon seit September dabei, zusammen mit dem Betriebsrat nach Lösungen zu suchen“, sagt eine Sprecherin.

Vor allem an den vier Standorten, wo man gerade ohnehin baue, seien selbstverständlich ordentliche Toiletten eingeplant worden. Und die Reinigungsintervalle der 31 mobilen Klos würden auch noch einmal gründlich überprüft. Dass den Fah­re­r:in­nen jetzt der Geduldsfaden reißt, erklärt man sich hier mit politischen Gründen: Bei der anstehenden Betriebsratswahl buhlen zwei konkurrierende Listen um Stimmen.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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