Burkini-Verbot in Frankreich: Innenminister gegen Gesetz

Nach dem Urteil gegen lokale Burkini-Verbote fordern verschiedene Politiker ein gesetzliches Vorgehen. Innenminister Cazeneuve widerspricht.

Porträt Cazeneuve

Der Innenminister warnt vor „irreparablen Spannungen“ wegen des Burkini-Verbots Foto: imago/Zuma Press

PARIS afp | In der Debatte um Ganzkörperbadeanzüge hat Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve vor einem gesetzlichen Burkini-Verbot gewarnt. Ein solches Gesetz wäre nicht nur „verfassungswidrig und ineffizient“, sondern würde auch zu „irreparablen Spannungen“ führen, sagte Cazeneuve in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der katholischen Zeitung La Croix. Daher lehne die französische Regierung so ein Gesetz ab. Von den Muslimen forderte Cazeneuve einen Einsatz für die Gleichberechtigung.

„Im Gegenzug müssen sich die Muslime weiterhin gemeinsam mit uns für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen einsetzen, für die Unantastbarkeit der republikanischen Prinzipien, für die Toleranz, die das Zusammenleben ausmacht“, sagte Cazeneuve in dem Interview, das am Sonntagabend auf der Website der Zeitung erschien. Cazeneuve trifft am Montag Vertreter muslimischer Verbände, Bürgerrechtsgruppen und Abgeordnete, um über den Islam in Frankreich zu beraten.

Mit Blick auf Forderungen konservativer und rechtsextremer Politiker nach einem gesetzlichen Burkini-Verbot warnte der Innenminister vor spalterischer Rhetorik. „Jede Äußerung zählt, jede Meinungsäußerung kann dazu beitragen, die Einheit der Republik zu stärken oder sie zu spalten“, sagte der Innenminister. Konkret warf er den konservativen Republikanern von Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy vor, die Debatte im parteiinternen Machtkampf um die Präsidentschaftskandidatur zu instrumentalisieren.

Rund 30 französische Gemeinden hatten in diesem Sommer das Tragen eines Ganzkörperbadeanzuges am Strand verboten, darunter die Mittelmeerstädte Cannes und Nizza. Am Freitag erklärte der Staatsrat, das Oberste Verwaltungsgericht Frankreichs, dies für unrechtmäßig. Das Grundsatzurteil bezog sich konkret auf das vom südfranzösischen Badeort Villeneuve-Loubet verhängte Burkini-Verbot. Laut dem Gericht stellt es eine „schwere und offensichtlich illegale Verletzung der grundlegenden Freiheitsrechte dar“.

Gemeinden wollen Urteil ignorieren

Die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden hatten das Verbot mit der angespannten Stimmung im Land begründet. Die von strenggläubigen muslimischen Frauen getragene Badebekleidung mit Kapuze könnte demnach als Provokation empfunden werden und zu Störungen der öffentlichen Ordnung führen. Zahlreiche Gemeindechefs kündigten bereits an, das Verbot aufrechtzuerhalten.

Frankreich erlebte seit Anfang 2015 mehrere islamistische Anschläge. Zuletzt wurden am 14. Juli an der Strandpromenade von Nizza 86 Menschen getötet, als ein Angreifer mit einem Lkw in eine Menschenmenge raste.

Die Debatte um den Burkini – eine Wortschöpfung aus Burka und Bikini – wurde vor wenigen Tagen noch durch ein Foto von einem Polizeieinsatz am Strand von Nizza angeheizt: Fotos, auf denen eine Frau vor den Augen von vier Polizisten ihr langes Oberteil auszieht, sorgten für einen Sturm der Entrüstung in sozialen Netzwerken.

Diskriminierung in Restaurant

Am Wochenende sorgte zudem ein Restaurantbesitzer für Empörung, der in Tremblay-en-France bei Paris zwei verschleierte Musliminnen aus seinem Lokal verbannte. Eine der Frauen filmte den Vorfall am Samstag im Restaurant „Le Cénacle“ und stellte das Video ins Internet. Darauf ist zu hören, wie eine der Frauen sagt: „Wir wollen nicht von Rassisten bedient werden“, woraufhin der Gastronom sagt: „Rassisten wie wir legen keine Bomben.“ Zudem sagt er: „Terroristen sind Muslime und Muslime sind Terroristen.“

Als immer mehr Boykottaufrufe gegen sein Restaurant veröffentlicht wurden, entschuldigte sich der Gastronom für sein Verhalten. Die Staatsanwaltschaft von Bobigny leitete wegen „rassistischer Diskriminierung“ Ermittlungen gegen den Mann ein.

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