Bunt-schwarze Komödie im ZDF: Alles Gute kommt von oben
"Die Eisbombe" von Oliver Jahn ist Öko-Satire, Familien-Drama und Coming-of-Age-Film - und verhebt sich dabei ein wenig. (ZDF, Montagnacht, 0.20 Uhr)
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BERLIN taz | Fische sind schwermetallbelastet, Gemüse enthält Pestizide, so ziemlich alles macht Krebs. Und Genfood geht sowieso mal gar nicht. In der Folge boomt Bionahrung und ist mittlerweile so weit im Mainstream angekommen, dass manch einer schon wieder misstrauisch wird. Gleichzeitig gibt es im Wochentakt neue Studien, welche Dinge in welchem Maße zu welchen Gesundheitsschäden führen bzw. jetzt doch nicht mehr - oder jetzt doch wieder. Die Angst isst mit und jeder von uns kann irre viel falsch machen.
Diese Angst ist eines der Themen in Oliver Jahns an Themen nicht armen Debütfilm "Die Eisbombe". Verkörpert wird sie von der Lehrerin Beate Schuhmann-Weil (Karoline Eichhorn), für die der Tschernobyl-Unfall ein Erweckungserlebnis in Sachen Ökoparanoia war und die seitdem ihre Familie von allen Lebensmittelgiften dieser Welt fernzuhalten versucht.
Besonders stark leidet darunter ihr Sohn Tom (Eike Weinreich). Tom ist Allergiker, hat neurotische Angst vor Regen, singt schief, wenn er nervös wird, und ist menschenscheu. Davon abgesehen ist er ein normaler 19-Jähriger, der vor seinem Zivildienst als Pförtner eines Krankenhauses steht und mit seinen Eltern darum ringt, ausziehen zu dürfen.
Ein seltsamer Vorfall gibt ihm die Chance dazu: Eines Nachts stürzt unvermittelt ein rosafarbener, stinkender Eisklotz in den Dachboden der Schuhmann-Weils. Der Klotz schmilzt und macht das Haus unbewohnbar, Tom flieht in die klinikeigene Zivi-Wohnung und die Restfamilie, in all ihren Sorgen über die Gefährlichkeit der Welt bestätigt, verschanzt sich in einem unterirdischen Bunker im Garten.
Während seine Eltern nun mit den Versicherungen um Schadenersatz fechten - niemand weiß, woraus der Klotz bestand, also fühlt sich auch niemand zuständig -, beginnt Tom vorsichtige Schritte in ein selbstständiges Leben. Unterstützt wird er dabei von der Schauspielschülerin Luzie, in die Tom sich natürlich prompt verliebt. Was folgt, ist in erster Linie eine Adoleszenzgeschichte mit allen Facetten. Tom steht vor der Herausforderung, auf eigenen Beinen zu stehen, er erlebt seinen ersten Vollrausch, seinen ersten Kuss, seinen ersten Sex, seine erste wilde Party, verschwindet mal kurz nach Bremen - ein Querschnitt von allem, was das Genre bereithält.
Öko-Satire, Familiendrama, Coming-of-Age-Film, dazu ein bisschen Medienkritik: Das wesentliche Problem der "Eisbombe" ist, dass der Film zu viel auf einmal will. Zusätzlich zum Themen-Overkill gibt es noch eine Menge Storyschlenker und Extraideen, auch optisch wird allerlei ausprobiert.
Holzschnittartige Charaktere
Bei alldem wird stets etwas zu dick aufgetragen, was man als Zuschauer, nunja, mögen muss. Zumal sich dadurch immer wieder kleinere Unglaubwürdigkeiten einschleichen. Allein, wie schnell Tom seine in langen Jahren erworbenen Psychosen verarbeitet, ist bemerkenswert. Die Charaktere sind ebenfalls holzschnittartig geraten: der superlässige Vorgänger-Zivi, der wortkarg-verschrobene Leichenwäscher, die freche Luzie.
Und natürlich die zunehmend dem Wahnsinn anheim fallende Mutter, die der Bio-Wahn-Problematik leider ein wenig den Wind aus den Segeln nimmt. Ihre Überzeichnung ist geradezu kontraproduktiv: Sie verkommt zum Freak, denn so neurotisch ist wohl kaum ein Mensch. Auf diese Weise werden sich aber nur sehr wenige Zuschauer angesprochen fühlen oder gar ihr Verhalten kritisch hinterfragen.
Das ist schade, denn dass Oliver Jahn mit dem Thema etwas anfangen kann, zeigen nicht zuletzt die sehr gelungenen eingestreuten Boulevardmagazin-Ausschnitte über das Schicksal und die Vergangenheit der Schuhmann-Weils (inklusive eines Cameo-Auftritts von Ulla Kock am Brink). Vielleicht hätte man aus dem gesamten Stoff daher lieber zwei Filme machen sollen.
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