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Bundesweites TrainerregisterRote Karte für Täter

Kommentar von

Johannes Kopp

Sportvereine haben ein massives Problem mit sexualisierter Gewalt. Täter sind oft Trainer. Bessere Kontrollmaßnahmen sind längst überfällig.

Kriegt der Sport die Kurve? Foto: Baertels/plainpicture

J etzt also auch noch ein bundesweites Trainerregister, um gegen sexuellen Missbrauch in Sportvereinen vorzugehen. Kerstin Claus, die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, hat sich Anfang der Woche dafür ausgesprochen. Das Unbehagen, das diese Forderung auslösen wird, ist absehbar.

Wie soll der Breitensport den ohnehin schon eklatanten Mangel an ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainern künftig ausgleichen, wenn sie mit solch einer Maßnahme allesamt dem Generalverdacht der sexuellen Übergriffigkeit ausgesetzt werden? Wenn dafür Datenbanken eröffnet werden, in denen Vergehen jenseits der Straffälligkeit gesammelt und abrufbar werden? Wenn also ansonsten geltende Persönlichkeitsrechte außer Kraft gesetzt werden? Und ist es nicht gerade in Zeiten, in denen autoritäre Systeme an Anziehungskraft gewinnen, gefährlich, Freiheitseinschränkungen voranzutreiben?

Dies sind alles wichtige und berechtigte Fragen. Beschäftigt man sich jedoch konkret damit, weshalb Kerstin Claus oder die unabhängige Sportlervertretung „Athleten Deutschland“ ein Trainerregister will, stellen sich wiederum völlig andere Fragen. Es kann doch nicht im Interesse der Ehrenamtlichen sein, dass ihre Arbeit in einem völlig ungesicherten Umfeld stattfindet, in dem wenige Täter dafür sorgen können, dass der Ruf von allen massiv leidet? Lastet der Generalverdacht auf allen Ehrenamtlichen im Sport nicht stärker, wenn trotz sich häufender Missbrauchsfälle nicht gehandelt wird?

Der Sport hat ein massives Problem mit sexueller Gewalt. Für Aufsehen sorgte 2016 die „Safe Sport“-Studie, nach der im Leistungssport 37 Prozent der Befragten eine Form sexualisierter Gewalt erlebt hatten. Die Studie „SicherimSport“ kam 2022 zu dem Ergebnis, dass im Breitensport ein Viertel der Befragten sexualisierte Belästigungen oder Grenzverletzungen ohne Körperkontakt erfahren hatten.

Enttarnung und Suspendierung

Jüngst hat eine ZDF-Recherche über Missbrauchsfälle in der Leichtathletik eindrücklich ein bekanntes Tatmuster dokumentiert. Die Täter gingen nach ihrer Enttarnung und Suspendierung häufig einfach zu einem anderen Verband oder Verein. Sie wechselten ihr Jagdrevier der sexuellen Ausbeutung. Teils agierten sie geschickt unter der Strafbarkeitsschwelle. Sie versuchten etwa, Minderjährige durch Liebesbriefe und psychischen Druck gefügig zu machen. Das Fehlen eines Warnsystems erklärten die interviewten Sportfunktionäre vor Ort schulterzuckend mit den vorgegebenen Datenschutzbestimmungen, was ihnen die Hände binde.

Ein Trainerregister wäre fraglos eine Hilfe, solche Taten zu verhindern. Die Einschränkung von Freiheitsrechten der Trainer ist mit dem Freiheitsrecht von Kindern und Jugendlichen zu begründen, sexuell nicht unterdrückt zu werden. Um Willkür zu vermeiden, bedarf es natürlich genauester Regeln, welche Daten von wem wie lange gesammelt werden und wer sie einsehen darf.

Für den Schutz vor Missbrauch ist das Trainerregister allerdings nur ein kleines Puzzleteil, mit dem die Funktionsträger des Sports mehr in die Pflicht genommen werden können, weil sie die Verantwortung nicht mehr auf die Politik schieben können. Wichtiger als ein einzelnes Instrument ist eine Kultur des Hinsehens im Sport und nicht etwa einer Kultur des Aussperrens von unliebsamen Journalistinnen und Journalisten, wie sie der Deutsche Leichtathletik-Verband bei seinen Deutschen Meisterschaften pflegte. Dem ZDF-Team, das bekanntermaßen zu den Missbrauchsfällen im Verband recherchierte, wurde die Akkreditierung für das Event verweigert.

Übrigens, der Mangel an Ehrenamtlichen im Breitensport ist gerade ein Einfallstor für potenzielle Täter auf Reviersuche. Weil allerorten händeringend nach Trainern gesucht wird, sieht man in den Vereinen schon gern über die ein oder andere Auffälligkeit hinweg. Mit den fehlenden Ehrenamtlichen gegen ein Trainerregister zu argumentieren, wäre fatal. Dies unterstreicht vielmehr dessen Notwendigkeit.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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2 Kommentare

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  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas mit dem Datenschutz irgendwie vereinbar wäre. Man würde eine Liste von vielleicht nur potentiellen Straftätern, auf jeden Fall auch noch nicht verurteilten Personen führen, auf die sehr viele Menschen eher unbürokratisch zugreifen können. Auch kann man dann ohne Gerichtsverhandlung jemanden auflisten, der wiederum klagen wird, aber damit Jahre verloren ist fürs Ehrenamt.

    Verdächtige zu listen und das dann einer wenn auch begrenzten Öffentlichkeit zur Vergütung stellen?

    Das sind so populistische Vorschläge, die man besser erst juristisch gut prüft, wenn man den Bürger am Ende von der Handlungsfähigkeit der Politik überzeugen will.

  • Ja, es gibt ohne Zweifel einen Mangel an Trainern im Sport. Aber, ein erweitertes polizeiliche Führungszeugnisse sollte Pflicht sein: Diese ermöglichen es Vereinen, die Vorgeschichte von Bewerbern zu überprüfen und sicherzustellen, dass keine Vorstrafen wegen Sexualdelikten vorliegen. Was daneben auch noch wichtig ist: Eltern und Lehrer sollten auf Veränderungen im Verhalten ihrer Kinder achten und nicht nur deren sportliche Karriere im Auge haben.