Bundeswehrmission im Irak: Das Richtige falsch machen
Wenige Politiker haben mit einer Ausbildungsmission der Bundeswehr im Irak Probleme. Viele zweifeln, ob sie verfassungskonform ist.
BERLIN taz | Ein Pazifist ist Swen Schulz nicht, die Feststellung ist ihm wichtig. Der SPD-Abgeordnete aus Berlin hat auch kein Problem mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr, zumindest nicht prinzipiell. Wenn das Parlament heute über die Ausbildungsmission im Irak entscheidet, wo die Bundeswehr in den nächsten Monaten den Kampf gegen den IS durch Ausbildung unterstützen soll, wird Schulz trotzdem gegen die eigene Fraktion stimmen: Das Mandat lehnt er ab.
„Das Mandat ist ein weiterer Schritt zur Militarisierung der deutschen Außenpolitik“, sagt Schulz. Dass bewaffnete Bundeswehrsoldaten künftig die irakische Armee und kurdische Milizen an schwerem Gerät ausbilden, dass sich die Regierung weitere Waffenlieferung vorbehält – all das wäre für Schulz zustimmungsfähig. Aber für den Einsatz gibt es weder einen Auftrag des UN-Sicherheitsrats noch einen Nato-Beschluss. Und ob das Grundgesetz ein solches Mandat zulässt, ist umstritten; insofern wäre die Mission juristisches Neuland. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das Schulz beauftragt hat, bestätigt die Bedenken.
„Der Kampf gegen den IS ist ein guter Zweck“, sagt SPD-Mann Schulz. „Aber wenn das Mandat durchgeht, könnte sich eine künftige Regierung darauf berufen und mit einer ähnlich schwachen verfassungsrechtlichen Basis ganz andere Einsätze begründen.“ Innerhalb der Regionsfraktionen ist er nicht der Einzige mit Zweifeln. Selbst Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, bezeichnete das Mandat als fragwürdig. Die Regierung ficht das nicht an. Der UN-Sicherheitsrat habe festgestellt, dass der IS „eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellt“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Bundestag. Dem Grundgesetz sei also Genüge getan.
Damit überzeugte Steinmeier zwar nicht alle Abgeordneten von SPD und Union: Mit einigen Abweichlern müssen vor allem die Sozialdemokraten rechnen. Die Mehrheit für das Mandat steht trotzdem, lange Diskussionen in den Koalitionsfraktionen waren nicht mal mehr nötig.
Luftschläge nicht mit den Grünen
Ganz anders bei den Grünen, die den Einsatz kritisch debattierten und um eine gemeinsame Linie rangen. Schließlich gehen die Ansichten in der Fraktion sowieso auseinander, welche Mittel im Kampf gegen IS angebracht sind. Das zeigte sich bereits im Sommer, als Grünen-Chef Cem Özdemir in der Diskussion um Waffenlieferungen warnte, man könne IS nicht mit der „Yoga-Matte“ besiegen.
Auch beim umstrittenen Irak-Mandat tendierten einige Realos inhaltlich zu einem Ja. „Es ist in der grünen Fraktion unstrittig, dass der IS militärisch bekämpft werden muss“, argumentiert der Realo-Koordinator Dieter Janecek. Im November 2014 hätten die Grünen selbst die Ausbildung durch die Bundeswehr begrüßt. Da könne man sich „in einer Situation, in der konkrete Hilfe im Krisenfall gefragt ist“, doch nicht „vermeintlich formaljuristisch hinter den Vereinten Nationen verschanzen“.
Auch Parteifreund Tom Koenigs überzeugen die verfassungsrechtlichen Zweifel nicht. Immerhin stünden 60 Staaten und fast alle EU-Länder dahinter. Bei einer Grünen-Reise in den Nordirak Ende 2014 hätten die örtlichen Kräfte eindringlich um Militärhilfe gebeten. „Die Lieferung von Milan-Raketen aus Deutschland hat sicher etwas dazu beigetragen, das Blatt dort zu wenden“, sagt Koenigs. „Man kann doch nicht so tun, als ginge das alles von selbst. Die Luftschläge der USA wurden auch nicht mit Nelken gemacht.“
Dennoch wollen sich Janecek und Koenigs – genau wie Parteichef Özdemir und die große Mehrheit der Fraktion – bei der Abstimmung enthalten. „Die internationale Unterstützung, auch die deutsche, hat den Kurden geholfen, Erfolge gegen Isis zu erzielen“, sagte Özdemir der taz. „Das haben wir im Sindschar-Gebirge gesehen und gerade jetzt auch in Kobane.“ Doch die Kurden müssten dauerhaft in die Lage versetzt werden, dem IS etwas entgegenzusetzen. Die Ausbildungsmission sei dazu „grundsätzlich richtig“, argumentiert Özdemir. Er bedauert, dass sich die Bundesregierung geweigert habe, das Mandat „verfassungsrechtlich wasserdicht“ zu machen.
„Blankoscheck für Waffenlieferungen“?
Ein Entschließungsantrag der Fraktion moniert zudem, das Mandat enthalte „eine Pauschalermächtigung“ für neue Waffenlieferungen. Außenpolitiker Jürgen Trittin resümiert: „Man kann, indem man das Richtige mit Falschem verbindet, das Richtige falsch machen.“ Die Enthaltung der Fraktion sei „ein Ja zur Ausbildung“, aber ein Nein zu „einem Blankoscheck für Waffenlieferungen und zur Verletzung des Grundgesetzes“.
Einigen Grünen ist diese Positionierung zu unentschieden. Die Rechtspolitikerin Katja Keul will mit Nein stimmen. „Es versteht sich von selbst, dass ein verfassungswidriges Mandat abzulehnen ist“, argumentiert sie. Die Linksfraktion wiederum steht geschlossen gegen den Einsatz: „Schon die Waffenlieferungen im Herbst waren ein schwerer Fehler“, sagt Außenpolitiker Stefan Liebich. Die Ausbildungsmission sei der nächste.
Und eine Klage als Notbremse? Juristisch ohnehin fast unmöglich, will die Linke nicht mal den Versuch starten – zu groß ist die Sorge, dass die Verfassungsrichter das Mandat am Ende doch abnicken und sich die Regierung künftig auf diese Entscheidung stützen könnte.
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