Bundeswehr macht Schule: Werbung für die Waffe
Gewerkschafter, Menschenrechtler und Grüne protestieren gegen Werbeveranstaltungen der Bundeswehr in Schleswig-Holsteins Schulen. Die Armee bestreitet, dass sie im Klassenzimmer rekrutiert.
Die Besuche der Bundeswehr an Schleswig-Holsteins Schulen stoßen auf Widerstand der Lehrergewerkschaft GEW, der Grünen und der Menschenrechtsorganisation Terre des hommes. Hauptkritikpunkt ist, dass die Bundeswehr die Schulbesuche nutze, um neue Rekruten anzuwerben, ohne auf die Gefahren der Einsätze aufmerksam zu machen.
"Es wird offensiv für die Bundeswehr geworben", sagt GEW-Landesgeschäftsführer Bernd Schauer. Er hält die Schulbesuche der Bundeswehr für reine Werbeveranstaltungen. "Den Schülern wird ein sicherer Arbeitsplatz versprochen - dass sie in riskanten Einsätzen ihr Leben riskieren müssten, wird nicht bewusst gemacht."
Die Menschenrechtsorganisation Terre des hommes ruft auf ihrer Homepage Eltern und Lehrer dazu auf, sich gegen die Schulbesuche der Bundeswehr einzusetzen. Werbung für Militäreinsätze an Schulen sei ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Auch die Landtagsabgeordnete Anke Erdmann (Grüne) lehnt Schulbesuche der Bundeswehr ab. "Rekrutierung hat an unseren Schulen nichts zu suchen", so Erdmann. Es bestehe die Gefahr, dass die Bundeswehr die Situation gering qualifizierter Absolventen ausnutze, um ihren Personalmangel auszugleichen.
Tatsächlich hat die Bundeswehr ein Nachwuchsproblem. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht versucht sie verstärkt, Freiwillige anzuwerben. Bundesweit wirbt sie seit Wochen in Radio und Fernsehen, auf Messen und Volksfesten für den Freiwilligendienst - und eben auch an Schulen.
In Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen existieren Kooperationsverträge, die die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Schulen regeln. Die Kooperationsvereinbarung zwischen der Bundeswehr und dem Land Hessen legt unter anderem fest, dass Jugendoffiziere an Schulen keine Nachwuchswerbung betreiben dürfen. Ebenso ist dort geregelt, dass bei den Schulbesuchen Fragen der Sicherheitspolitik und der Menschenrechte im Vordergrund stehen sollen.
Anders als in Schleswig-Holstein gibt es in Bundesländern wie Hessen Kooperationsverträge zwischen den Kultusministerien und der Bundeswehr. Diese Abkommen basieren auf folgenden Prinzipien:
Jugendoffiziere sind Repräsentanten der Friedens- und Sicherheitspolitik. Sie sollen der Jugend plurale Standpunkte vermitteln.
Werbung für Tätigkeiten in der Bundeswehr ist nicht erlaubt.
Die demokratische, friedensstiftende Idee des Staatsbürgers in Uniform soll Leitbild der Arbeit sein.
In Schleswig Holstein liegt nur ein Zehn-Zeilen-Erlass vom Bildungsministerium aus dem Jahr 2001 vor, in dem es heißt: "Eine Zusammenarbeit von Jugendoffizieren der Bundeswehr mit Schulen dient ausdrücklich nicht der Berufswerbung der Bundeswehr." Bindend ist der Erlass allerdings nur für die Schulen, nicht für die Bundeswehr. Alle anderen Fragen zur Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Schulen soll ein einseitiger Brief des Staatssekretärs an die Schulen beantworten. Inhaltliche Fragen werden darin allerdings ausgeklammert. Das Ministerium für Bildung und Kultur in Schleswig Holstein hält einen Kooperationsvertrag nicht für notwendig - man wolle die Schulen "selbst entscheiden lassen", ob sie mit der Bundeswehr zusammenarbeiten wollen. Außerdem sei die Bundeswehr "kein dubioser Verein", sagt Patricia Zimnik, Sprecherin von Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP).
Auch Cornelia Conrad, bildungspolitische Sprecherin der FDP, versteht die Aufregung nicht. Sie hat als frühere Realschullehrerin früher selbst Jugendoffiziere in den Unterricht eingeladen. Bei den Schulbesuchen der Bundeswehr handele es sich um "reine Informationsveranstaltungen".
Oberleutnant Björn Godbersen von der Wehrdienstberatung Kiel bestätigt, dass die Bundeswehr seit der Aussetzung der Wehrpflicht ein Nachwuchsproblem hat. Dennoch dienten die Informationsveranstaltungen nicht der Rekrutierung neuer Mitglieder. Aber: "Die Bundeswehr versucht immer, gutes Personal zu bekommen."
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