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Bundeswehr in SchulenGrüne streiten über Militärbesuche

In Baden-Württemberg streiten sich die Grünen über Schulbesuche der Bundeswehr. Die Basis will sie verbieten, der Ministerpräsident nicht.

Wenn Kinder zum Militär gehen ist es auch nicht besser: Kids' Day bei der Bundeswehr. Bild: dpa

STUTTGART taz | Darf die Bundeswehr Schulen besuchen oder nicht? Diese Frage sorgt für neue Diskussionen in der baden-württembergischen Landesregierung. Am Wochenende hatte auf dem Grünen-Parteitag eine Mehrheit dafür gestimmt, dass die Regierung die bestehende Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr auflösen soll. Vergleichbare Vereinbarung gibt es in vielen Bundesländern. Doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will dem Beschluss nicht folgen.

Die Überschrift des Antrags der Grünen ist eigentlich eindeutig: „Schulfrei für die Bundeswehr – Kooperationsvereinbarung kündigen“. Darin wird kritisiert, dass die Bundeswehr nicht neutral sei. „Sie unterstützt nicht eine umfassende, kritische Diskussion, sondern schlägt immer auch ihre Lösungen vor: militärische Drohung, bewaffneter Einsatz, Krieg.“

Kretschmann legt den Beschluss jedoch anders aus. „Ich interpretiere das nicht so, dass die Bundeswehr aus den Schulen ferngehalten werden soll, sondern dass auch Vertreter von pazifistischen Organisationen ihre Auffassungen im Unterricht darlegen können, sofern die Lehrerschaft das will. Und das werden wir auch gewährleisten“, sagte er am Dienstag.

Damit liegt er auf einer Linie mit Innenminister Reinhold Gall und der zuständigen Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (beide SPD). Sie will einen entsprechenden Kompromiss umsetzen. Vorbild könnten Rheinland-Pfalz sein oder auch Nordrhein-Westfalen, wo Offiziere nur an die Schulen dürfen, wenn auch Friedensgruppen eingeladen werden. Außerdem bestehen Kooperationen in Hessen, Sachsen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland. Kritiker machen immer wieder mobil gegen die Verträge, so zuletzt im Herbst mit einer bundesweiten Aktionswoche.

Keine Zusatzvereinbarung nötig

Die baden-württembergische Regierung will nun im nächsten Jahr mit Vertretern der Bundeswehr und von Friedensorganisationen sprechen. „Wir müssen schauen, ob wir diesen Kooperationsvertrag belassen oder ob wir ihn etwas ändern, aber an der Grundtatsache wird sich nichts ändern“, sagte Kretschmann.

Die Grüne Jugend kritisiert ihn deswegen. „Die Kooperationsvereinbarung muss gekündigt werden“, sagte Landesvorsitzende Jessica Messinger. Ähnlich sieht es Fraktionsvize Andreas Schwarz. „Über die Frage, wie der Unterricht ausgefüllt wird, entscheiden die Lehrerinnen und Lehrer. Deswegen bedarf es in meinen Augen keine Zusatzvereinbarung mit der Bundeswehr, die die Bundeswehr privilegiert.“ Der Ministerpräsident und die Fraktion würden nun Gespräche führen.

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22 Kommentare

 / 
  • RM
    Rodolfo Moray

    Zur Debatte um eine kommentierte Ausgabe von Hitlers Hetzschrift »Mein Kampf« - im SCULUNTERRICHT

    Ein Tabu würde fallen

    http://www.neues-deutschland.de/artikel/806649.ein-tabu-wuerde-fallen.html

  • B
    Bertoreg

    Regierungsfähig = Kriegswillig = Regierungsfähig

     

    Ja Ja die Grünen ... schon Anfang Oktober erklärte der Grüne Landtagsabgeordnete Halder in der FAZ zur geforderten Kündigung des Kooperations-Abkommens: „Meine Partei hat den Kosovo-Einsatz mit beschlossen,und Teile meiner Partei waren auch für den Afghanistan-Einsatz. Deshalb muss das grundsätzlich diskutiert werden, zumal wir ja keine Wehrpflichtarmee mehr haben.“ Anders als oft behauptet, gehe es bei den Schulbesuchen nicht um Nachwuchswerbung,sondern um eine fachliche Beratung, sagte Halder. „Man muss bedenken, dass die

    Abschaffung der Kooperationsvereinbarung zu emotionalen Diskussionen führen wird.“

     

    Vor lauter Angst, als "Vaterlandslose Gesellen" dazustehen hat die Führungsclique der Grünen ihr Rückgrat im Spind abgegeben.

    Wer noch irgendwie an "Frieden" glaubt (nicht im orwellschen Sinne)sollte diese oligrüne Partei nun endlich verlassen !

  • T
    T.V.

    Also zu Kretschmann: Ich interpretiere das so, daß der Herr eigentlich sagen möchte: "Ihr da unten, die Basis, ihr seid mir scheißegal. Ich bin jetzt hier oben und kann machen was ich will für mein Säckel. Holtet do bloß die Schnauze." Wäre ja lustig, wenn jeder einen Auftrag ins Gegenteil interpretiert, oh warte mal..

  • ED
    Eva Damrau

    Wieder mal pfeift Baden-Württembergs Regierungschef Kretschmann auf die Basisforderungen.

     

    http://www.jungewelt.de/2012/12-06/026.php

  • FG
    Floran Geyer

    Ah ja, die Grünen Khmer mal wieder!

    Sind das nicht die Leute, die Bundeswehrsoldaten früher "potentielle Mörder" genannt haben, um dann nach ihrer Machtergreifung während der Junta Schröder-Fischer die BRD in zwei völkerrechtswidrige Angriffskriege gegen Serbien und Afghanistan zu verstricken und das "potentiell" damit überflüssig zu machen?

  • N
    neubau

    Ich muss an eine Satire aus der "Titanic" irgendwann um 1990 denken, die heute aktueller ist denn je: "Schlaglichter aus dem Arbeitsleben: Berufsbild Mörder".

     

    Wenn die Bundeswehr kommt, sind meine Kinder auf jeden Fall nicht in der Schule, und auf dem Entschuldigungsschreiben steht dann schlicht "Bleiallergie".

  • A
    aleister

    @ Tim:

     

    als langjähriger grünen-wähler hab ich mich bereits dazu entschieden. ist einen versuch wert, denke ich, inmitten all der alternativlosigkeit.

  • T
    Tastenpunk

    Ich schäme mich mittlerweilen, einmal Mitglied dieses pseudo-grünen in vielen Punkten mittlerweilen reaktionären, neo-liberalen Politikvereins gewesen zu sein. Dieser MP hat ein vorsintflutliches Demokratieverständnis. Man kann nur hoffen, dass dieser katholische Kirchenchorsänger möglichst bald zurücktrenten muß...

  • T
    tim

    haha

     

    so sieht also die grüne alternative aus??

     

    dann sollten wir vielleicht doch mal den linken ne chance geben, denn eine wirkliche veränderung ist hier nicht auszumachen. kretschmann sollte sich schämen. wie können basis und führung einer partei so weit voneinander entfernt sein? - frage ich mich.

  • K
    kMfN

    Mit freudig begrüßtem Militär kennt man sich in der bellezistischen taz ja bestens aus- nicht nur musste man in der Vergangenheit zahlreiche Kriegsaufrufe in Eurem Blatt lesen- ihr hattet neulich sogar die Bundeswehr zu Besuch in Euren Redaktionsräumen! Warum hat man über dieses Zusammentreffen Gleichgesinnter eigentlich nichts in der taz lesen können?

  • LF
    Lissy Freund
  • L
    Lucas
  • A
    aka

    Erst kommt die Bundeswehr und will, dass ich sie gutfinde.

    Wenn ich dann am nächsten Tag auf dem Schulhof mein neugelerntes Wissen über gewaltsame Konfliktbeseitigung ausprobiere, gibt es auf einmal Stress?

     

    Ach ja, die bohren ja nur Brunnen ...

     

    Wenn die Bundeswehr in der Schule meiner Tochter auftauchen sollte, bekommt sie auf jeden Fall schulfrei. Und wahrscheinlich ist sie damit in ihrer Klasse nicht die Einzige.

  • E
    EsEf

    Wer seine Schwerter zu Pflugscharen schmiedet, wird für diejenigen pflügen, die das nicht getan haben. - Steht auch so in der Bibel, an mehreren Stellen.

     

    Für die Leute, die zwar das "Schwerter zu Pflugscharen"-Bibelsprüchlein kennen, aber nicht wissen, daß es andersrum genau so gilt: http://www.uni-due.de/~gev020/courses/course-stuff/lit-wolffh-schwerter.htm

     

    Und zu undifferenziertem und unreflektiertem Pazifismus habe ich ein Zitat von George Orwell:

     

    “Leute die durch Geld und Kanonen vor der Wirklichkeit geschützt sind, hassen die Gewalt zu Recht und wollen nicht einsehen, das sie Bestandteil der modernen Gesellschaft ist und das ihre eigenen zarten Gefühle und edlen Ansichten nur das Ergebnis sind von Ungerechtigkeit, gestützt durch Macht.”

  • KK
    Klaus Kolb

    Leider passiert diese " fürstliche" Eigentümlichkeit des MP Kretschmann immer öfter. Er gefällt sich in der Role des Landesvaters und meint, agieren zu können, wie er will. Blödsinn verzapft er. auch noch, wie zu hören bei seiner Begründung gegen die Zivilklausel beim Parteitag letztes WE, man hätte menen können, Wissenschaft und Forschung finden noch im 19. Jhdt. Statt und müssen gegen konservative Ansichten verteidigt werden.

     

    Aber ein solches Verhalten kennt man von allen Tribunen, wer sie an die Macht gebracht hat, spielt auf einmal keine Rolle mehr und die Meinung der Partei gilt nichts mehr. Der Weg der Grünen in Ba-Wü zu einem neoliberal-konservativen klüngelverien, ader ökologische Prämissen einräumt, wird immer deutlicher!

  • W
    Weinberg

    Schulbesuche der Bundeswehr (= Söldnertruppe des 21. Jahrhunderts) wird der Realo Kretschmann nie und nimmer verbieten, denn er will es sich schließlich mit dem künftigen CDU-Koalitionspartner nicht verderben!

  • D
    D.J.

    „Sie unterstützt nicht eine umfassende, kritische Diskussion, sondern schlägt immer auch ihre Lösungen vor: militärische Drohung, bewaffneter Einsatz, Krieg.“

     

    Ist eigentlich niemandem aufgefallen, wie schräg dieser Satz ist? Wer a u c h seine Lösungen vorschlägt, ist also gegen eine kritische Diskussion? Natürlich ganz im Gegensatz zu den Antragstellern. Menno, solche intellektuellen Hochleistungssportler habe ich mal gewählt!

  • M
    Marina

    Ich sage nur

     

    SCHWERTER ZU PFLUGSCHAREN!!!!!

  • L
    Liane

    Ach wie schön sind doch Waffen. Damit kann ich schießen und jeder muß auf mich hören. Dann bin ich stark und mächtig und jeder muß tun, was ich sage.

    Dann bin ich wie ein König. Ich entscheide, wer dann tot ist und wer nicht.

    Dann kann ich auch Panzer fahren und mit dem Flugzeug Bomben werfen.

    Bumm-Bumm-Aua!

     

    Ja, macht es nicht Spaß, unseren Kindersoldaten solche Freuden zu bereiten. Da wird man ja selbst wieder jung und möchte selbst noch mal Söldner sein.

    Und man kann auch sein mangelndes Selbstbewußtsein aufwerten, denn ich gebe hier die Befehle und ihr müßt durch die Wasserpfützen im Wald robben. Schnauze!

  • V
    vic

    Hätte ich grün gewählt in BW (hab ich nicht), würde ich mich fragen: Was war doch gleich der Grund?

    Kretschmann ist ein Bilderbuchschwarzer- Greenwashed.

  • B
    Bubi

    Ich habe das Gefühl, die Grünen sprechen den Heranwachsenden die Befähigung ab, sich eigenverantwortlich und kritisch mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

    Nach dem Motto: Informationsfreiheit nur für die richtigen Informationen.

    Das spricht Bände!

  • KS
    kleiner Spinner

    Ist das hier der Wortlaut des Beschlusses?

     

    "BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Baden-Württemberg fordern die Landesregierung auf, die 2009 2 zwischen dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg und 3 dem Wehrbereichskommando IV (Süddeutschland) der Bundeswehr geschlossene Kooperationsvereinbarung spätestens zum Ende des Schuljahrs zu kündigen."

     

    Erstaunlich, wie man daran noch heruminterpretieren kann...