Bundeswehr in Mali: Bloß nicht in die falsche Richtung
Deutsche Soldaten bilden die malische Armee aus, damit der Norden des Landes nicht erneut an Islamisten fällt. Doch es fehlt an Vielem.
BAMAKO taz | Zwanzig malische Offiziere in voller Uniform stehen rund um einen Sandkasten. Vier von ihnen haben im Sand so etwas wie ein Bild gelegt. Es besteht aus Kieseln in unterschiedlichen Farben, Flaschendeckeln, Ästen, Papierfähnchen und einer Plastikflasche. Das Bild symbolisiert eine Bedrohungslage, mit Hilfe der Darstellung soll der Kompaniechef eine Taktik entwickeln. Der Sandkasten und die Offiziere befinden sich in einer Ausbildungskaserne in der Kleinstadt Koulikoro, eine gute Autostunde von Malis Hauptstadt Bamako entfernt.
Das Sandkastenbild gehört zur Ausbildung der malischen Soldaten durch die Bundeswehr. Rund 150 deutsche Soldatinnen und Soldaten gehören in Mali zur Ausbildungs- und Trainingsmission der Europäischen Union, die dort vor gut anderthalb Jahren begann, nachdem eine französische Militärintervention islamistische Milizen aus dem Norden des Landes verjagt hatten.
„Wo soll denn Norden sein“, hakt Oberleutnant Christian Bojar nach, einer der deutschen Ausbilder. Wie sich herausstellt, sind die Himmelsrichtungen in der Darstellung verdreht. „So etwas passiert häufig“, sagt Oberstleutnant Ralf Hammerstein, Leiter des deutschen Kontingents innerhalb der EUTM. „Wir üben das immer wieder, bis es irgendwann klappt.“ Sonst könnte die Einheit im Ernstfall in die falsche Richtung marschieren „oder dem Nachbar-Kompaniechef in den Rücken schießen.“
Seit dem Beginn der Ausbildungsmission wurden fünf Bataillone ausgebildet, etwa 3.000 Soldaten. Hauptfeldwebel Goita Sekou ist einer von denen, die bereits zur Auffrischung wiederkommen. „Am wichtigsten war für mich die Schulung im Umgang mit Sprengsätzen und Sprengfallen“, sagt er. Goita Sekous Pionier-Bataillon war direkt im Anschluss an den Lehrgang schon im Einsatz im Norden von Mali. Dort verüben al-Qaida-nahe Islamisten und Tuareg-Milizionäre nach wie vor regelmäßig Anschläge und verminen Straßen. Humanitäre Helfer und Händler riskieren ihr Leben, wenn sie außerhalb der Städte und Dörfer unterwegs sind.
Ausbildung und dann?
Es ist deshalb nicht nur für malische Soldaten lebenswichtig, dass sie mit Minen und Sprengfallen umgehen können. „Wir haben das durch die EUTM zum ersten Mal gelernt“, sagt Sekou. „Aber wir werden vermutlich auch weiterhin nicht das erforderliche Material haben, um Minen und Sprengfallen effektiv entschärfen zu können.“ Oberstleutnant Hammerstein nennt ein paar weitere Beispiele dafür, woran es fehlt: an Waffen, Munition, Fahrzeugen, Treibstoff, Funkgeräten.
Ein paar Kilometer entfernt liegt der Sprengplatz. Vier malische Soldaten sind gerade damit beschäftigt, ein Kilogramm Sprengstoff in die Luft zu jagen. Das sei zwar eine leichte Übung, sagt Major Michael Thiele, der Führer der Pionierausbildung, „aber die haben einfach nicht genug Sprengmittel, um das regelmäßig zu üben“. Zehn der Kursteilnehmer sind zum zweiten Mal dabei. Weil die malischen Soldaten zwischendurch aus Mangel an Material nicht sprengen können, vergessen sie das Gelernte schnell wieder.
Einen genauen Blick auf das, was die malischen Soldaten bei der EUTM lernen, hat General Didier Dacko. Er ist stellvertretender Chef des malischen Generalstabs und zuständig für den Norden des Landes. „Die europäische Ausbildungsmission ist sehr wichtig für Mali und ausgesprochen hilfreich im Kampf gegen Terrorismus“, versichert Dacko. Ihm ist aber auch bewusst, dass die Europäer seine Armee nicht allein auf Vordermann bringen können. „Es ist eben nur eine Ausbildung, und beim Militär reicht die Ausbildung nicht, man muss anschließend unbedingt trainieren.“
Genau daran hat es in der Vergangenheit gefehlt. Dacko weiß, dass sich das ändern muss. Sonst wird sich Malis Armee auch in Zukunft nicht behaupten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind