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Bundeswehr in AfghanistanGezielte Tötungen mit deutscher Hilfe

Eine Abteilung im deutschen Hauptquartier in Afghanistan hat Dossiers für gezielte Tötungen erstellt. Dabei wurden auch Informationen des BND verwendet.

August 2011: Bundeswehrpanzer in der afghanischen Provinz Kunduz. Bild: dpa

BERLIN afp | Die Bundeswehr hat laut einem Pressebericht eine weitaus größere Rolle bei gezielten Tötungen in Afghanistan gespielt als bislang bekannt. Der deutsche Generalmajor Markus Kneip habe 2011 als Kommandeur in Afghanistan persönlich „Personenziele“ ausgewählt, berichtete die Bild-Zeitung am Dienstag unter Berufung auf geheime Dokumente der Bundeswehr.

Organigramme zeigten demnach, dass es im deutschen Hauptquartier in Masar-e-Scharif eine sogenannte „Target Support Cell“ gab, deren Auftrag war, „Informationen für die Nominierung möglicher Personenziele zu sammeln“. Die Soldaten hätten „Ziel-Ordner“ erstellt, die Kneip zur Genehmigung vorgelegt werden sollten.

Bei einer Besprechung im Mai 2011 habe der Generalmajor gefordert, es als „Priorität“ zu behandeln, einen Aufständischen namens Kari Hafis festzunehmen oder zu neutralisieren, berichtete die Zeitung unter Berufung auf ein Protokoll der Sitzung. Bei anderen Aufständischen hätten die Beteiligten der Sitzung dagegen zu bedenken gegeben, dass ihre Beseitigung ein gefährliches Machtvakuum hinterlassen würde, da sie über viel Macht, Waffen und Geld verfügten.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) habe genehmigt, dass von ihm gesammelte Informationen im Fall eines drohenden Angriffs zur gezielten Tötung von „Personenzielen“ eingesetzt werden können.

Ortung mittels Telefonnummer

„Eine Verwendung zum Zwecke des Einsatzes tödlicher Gewalt ist nur dann zulässig, solange und soweit ein gegenwärtiger Angriff vorliegt oder unmittelbar droht“, zitierte die Zeitung aus einem geheimen BND-Bericht von August 2011 zum Taliban-Führer Kari Jusuf. Der BND übermittelte darin auch Telefonnummern, die zur Ortung Jusufs eingesetzt werden konnten.

Die Praxis gezielter Tötungen von Aufständischen ist international hoch umstritten. Besonders die US-Streitkräfte fliegen in Afghanistan und Pakistan seit Jahren regelmäßig Angriffe auf mutmaßliche Rebellenführer und andere Extremisten.

In Deutschland wird seit langem darüber diskutiert, welchen Anteil der Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehr an den umstrittenen Drohnenangriffen haben. Dabei geht es insbesondere um die Weitergabe von Telefonnummern von Verdächtigen, die von Geheimdiensten zu ihrer Ortung benutzt werden können.

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5 Kommentare

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  • Nicht wirklich neu, aber leider noch immer nicht auf dem Schirm der deutschen Entscheidungsträger angekommen.

    Deutschland ist Dreh- und Angelpunkt der Exekutionen, die durch Drohnen ausgeführt werden und nicht selten Zivilisten, Kinder und Frauen treffen. Dabei ist nach meinem Kenntnisstand Deutschland offiziell gar keine Kriegspartei. Der ständig geäußerte Hinweis, man könne Kriegshandlungen nicht mit strafrechtlichen/zivilrechtlichen Maßstäben beurteilen, greift schon deshalb sowas von daneben. "Beihilfe zum Mord" nennt man "jede Handlung, die geeignet ist, die Haupttat zu fördern."

    Soldaten sind Mörder, egal ob sie selber abdrücken, oder für andere die Zielkoordinaten durchgeben. Abgeordente, die solchen Einsätzen ihre Stimme geben, muss man ebenfalls Mörder nennen.

  • In Deutschland wird seit langem darüber diskutiert, welchen Anteil der Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehr an den umstrittenen Drohnenangriffen haben.







    Unter der Führung von Angela wird auch diese Diskussion über dem BND im sande verlaufen .







    Eine perfekte Analyse über diese Handlanger der USA , zeigt der untere Beitrag .







    [Die Moderation: Link entfernt.]

  • Die letztlich entscheidende Frage ist doch :

    Gab es für Deutschland nicht nur gute , sondern zwingende Gründe , sich an dem"Einsatz" genannten Krieg zu beteiligen ? (Oder Unterfrage : Gab es nicht jedenfalls gute Gründe , sich schon früher , spätestens 2005 , also nach den Madrider und Londoner Terroranschlägen , deren Täter keinerlei Verbindung zu Afghanistan hatten , aus ISAF zu verabschieden ?)

    Was ich dabei wohl nie verstehen werde : Die al qaida-Ausbildungscamps in Afghanistan wurden bereits Ende 2001 / Anfang 2002 durch die amerikanischen und englischen Luftangriffe ausgelöscht . Man darf auch sicher sein , dass weder die damalige Taliban-Regierung in Kabul geschweige die "einfachen" Taliban im Land Kenntnis hatten von den Anschlagsplänen zu 9/11 . Taliban waren in der Folge weder an den Terroranschlägen in Madrid noch in London beteiligt , und auch in der Zeit danach hat sich kein Taliban als Terrorist in Europa gezeigt .

    W a s , beim Himmel , rechtfertigt/e da einen dreizehnjährigen "Krieg gegen den Terror" in Afghanistan , an dem sich zeitweise zig Nationen beteiligt haben ? Hat es in der ganzen Zeit jemals gute Gründe für eine Annahme gegeben , "die Taliban" würden anderenfalls als Terroristen über alle Länder der "Ungläubigen" herfallen ? Gründe , die es rechtfertigten , gegen die Taliban einen Ausrottungskrieg zu führen ?

  • Gezieltes Töten kann auch Mord sein.

     

    Der Artikel äußert den Verdacht, dass die Bundeswehr und der BND beim Einsatz in Afghanistan gegen nationales und internationales Recht verstoßen hätten. Wenn das der Fall sein sollte, muss natürlich der Bundesanwalt ermitteln. Er sollte aber vor allem wegen Mordes ermitteln. Gezielte Tötungen aus der Luft erzeugen immer Kollateralschäden. Im Klartext heißt das, dass manchmal auch Unbeteiligte durch Explosionswirkungen verletzt oder getötet werden. Die Verantwortlichen wissen das! Vor jedem Angriff wird durch einen Juristen und einen politischen Berater entschieden, wie viele zivile Tote das Ziel maximal Wert ist. Das ist bei den US Streitkräften und bei der NATO Routine! - Hier sind ein paar Fakten dazu.

    http://www.kamus-quantum.com/19.html

  • Im Krieg ist alles möglich, was menschlichen, brüderlichen Prinzipien diamteral ist.

    Das ist die Kultur der Sache. Und deswegen wärs nach wie vor am Besten, niemnad ginge hin.

    Dass es deutschen SoldatInnen in auswärtigen Kriegsgeschehen - Trainingslagern? - erlaubt ist, mitzumachen (mitzutrainieren), bei Mord(s)spielen und Gottesrichteranmassung, kann sich später einmal zuhause "nützlich" erweisen. Gelernt ist gelernt.

    Und dass, schlussendlich, diese taz-Meldung in Springer's Reich seinen Ursprung hat, ist vielleicht noch bemerkenswerter als die Meldung selbst.