Bundeswehr darf in die Schulen: Soldaten im Klassenzimmer
Die Bundeswehr darf an Schulen über sich informieren und Vorträge halten. Die Schulen müssen aber für Neutralität sorgen, fordert ein Gutachten. Schüler und Linke rufen zu Protest auf.
BERLIN taz | Die Bundeswehr darf zwar grundsätzlich Informationsveranstaltungen für Schüler anbieten. Deren Leitung muss jedoch in den Händen der Schulen bleiben. Und die müssen darauf achten, dass der Nachwuchs ausgewogen und neutral informiert wird. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der wissenschaftliche Dienst des Bundestags auf Bitten des Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich (Linke) erstellt hat. Nach wiederholten Protesten von Schülern gegen Bundeswehreinsätze in Schulen hatte Liebich den rechtlichen Status klären lassen wollen.
Die Bundeswehr hat zwei Einsatzoptionen für Schulen. Jugendoffiziere sollen im entsprechenden Fachunterricht über Sicherheits- und Außenpolitik dozieren, aber nicht für den Dienst an der Waffe werben. Das sollen nur die so genannten Wehrdienstberater machen, die Jugendliche bei gesonderten Veranstaltungen über Karrieremöglichkeiten aufklären. Nach Angaben der Senatsbildungsverwaltung gab es in den vergangenen drei Jahren insgesamt knapp 200 Informationsvorträge.
Der LandeschülerInnenvertretung sind beide Option schon seit langem ein Dorn im Auge. Das seien reine Rekrutierungsveranstaltungen, zu der kein Schüler gezwungen werden dürfe. Dem widerspricht das Bundestagsgutachten. "Deckt sich der konkrete Vortrag eines Vertreters der Bundeswehr mit dem Lehrplan, z.B. im Fach Staatskunde, ist der Unterricht anwesenheitspflichtig", heißt es in der Expertise.
Allerdings sei bei Informationsveranstaltungen über Karrieremöglichkeiten "auch die Vielfalt beruflicher Werdegänge außerhalb der Bundeswehr aufzuzeigen". Und wenn über politische Themen wie Auslandseinsätze der Bundeswehr geredet werde, "muss die Schule ausgewogene politische Sichtweisen vermitteln", etwa in dem sie einen militärkritischen Vertreter einlädt.
Dies ist bisher aber die absolute Ausnahme. Die LandesschülerInnenvertretung ruft daher regelmäßig zu Protesten gegen die Info-Offensive der Bundeswehr auf. Zuletzt wurde im November eine Veranstaltung am Paulsen-Gymnasium in Steglitz unter Polizeischutz durchgeführt, nachdem im Internet zu Protesten aufgerufen worden war.
Ähnliches könnte sich am Freitag am Schadow-Gymnisum in Zehlendorf wiederholen. Dort informiert die Bundeswehr im Rahmen eines Berufsinformationstages über Perspektiven mit Uniform. Zwar können sich Schüler zwischen Karriereinfos vom Militär sowie zivilen Ausbildungsbetrieben entscheiden. Doch das reicht der LandeschülerInnenvertretung und der Linken nicht aus.
"Neutralität ist nicht, wenn man sagt, es gebe alle möglichen Berufe und einer davon ist Soldat", argumentiert Liebich. Schließlich sei die Bundeswehr kein Arbeitgeber wie jeder andere. "Es geht dort um Berufe, bei denen Menschen getötet werden. Das darf nicht in den Hintergrund treten." Ohne das Gegengewicht einer friedenspolitischen Initiative vor Ort sei Neutralität daher nicht herzustellen. Deshalb unterstütze er genau wie die GEW den Aufruf zum Protest am Freitag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus