Bundesverwaltungsgericht verhandelt: Bremen will Geld sehen
Die Deutsche Fußball Liga soll die Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen übernehmen, findet Bremen. Ein Gericht entscheidet diese Woche.
Seit Jahren streitet sich die Stadt Bremen mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) vor Gericht. In dieser Woche soll nun ein rechtskräftiges Urteil fallen. Dienstag verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Frage, ob die DFL die Mehrkosten für sogenannte Hochsicherheitsspiele übernehmen muss – so wie es die Stadt Bremen verlangt. Eine Entscheidung in der Sache wird für Freitag erwartet.
Hintergrund des Streits ist, dass Bremen 2014 seine Gebührenordnung änderte. Seitdem kann das Land für ausufernde Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen Gebühren verlangen. Ziel der Gesetzesänderung waren sogenannte Hochrisiko-Fußballspiele, bei denen wegen erwarteter gewaltbereiter Fans entsprechend mehr Polizei eingesetzt wird.
Etwa 50 solcher Spiele gibt es jährlich in Deutschland, in Bremen zählte dazu im vergangenen Jahr nur das Derby gegen den HSV. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) wollte mit Blick auf Bremens klamme Haushaltslage, dass „Veranstalter, die durch eine staatliche Leistung einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen, im Interesse aller Steuerzahler dafür eine angemessene Gebühr entrichten“.
Erstmals für das Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV im April 2015 schickte Bremen eine Rechnung über 425.718,11 Euro an die DFL. Die wollte aber nicht zahlen und reichte Klage ein. Das Bremer Verwaltungsgericht gab der DFL erstinstanzlich recht und wies den Gebührenbescheid als rechtswidrig zurück. Der zugrunde liegende Paragraf der Bremischen Gebührenordnung sei „keine wirksame Rechtsgrundlage für die Berechnung der Gebühren“, begründete die Vorsitzende Richterin in ihrem Urteil im Mai 2017.Schuldner*innen müssten die Gebührenhöhe ungefähr abschätzen können.
Mäurer ließ sich dadurch aber nicht von seinem Plan abbringen und legte Berufung ein. Und das Bremer Oberverwaltungsgericht (OVG) gab ihm im Februar 2018 recht. In seiner Urteilsbegründung argumentierte das Gericht, dass die DFL mit Milliardenumsätzen von hohen Zuschauerzahlen und infolgedessen auch von großen Polizeieinsätzen bei Hochrisikospielen profitiere. Und wenn sie trotz eines großen Risikos Spiele durchführe, profitiere sie auch mehr von der Sicherheit als die Allgemeinheit.
Die DFL sieht den Staat in der Pflicht
Die DFL sieht das anders. Sie argumentiert, dass die zusätzliche Bereitstellung von Polizist*innen außerhalb der Stadien der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit diene und im Interesse der Allgemeinheit liege. Und ebendiese Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sei staatliche Kernaufgabe. Während der zweiten Verhandlung am OVG gab die DFL sogar an, nicht Veranstalter und Profiteur von Bundesligaspielen zu sein. „Wir machen nur Ort und Uhrzeit“, hieß es vom DFL-Anwalt. Die Milliardenerlöse würde der DFL e. V. erzielen, nicht die GmbH.
Jetzt muss sich das Bundesverwaltungsgericht mit den beiden Positionen auseinandersetzen. Wie schon bei der OVG-Verhandlung schickt die DFL ihren Präsidenten Reinhard Rauball nach Leipzig. Auch Bremens Innensenator Mäurer wird da sein. „Es ist selbstverständlich,dass sich in einem auch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler so wichtigen Rechtsstreit nicht nur der Rechtsvertreter des Landes Bremen teilnimmt, sondern auch der politische Vertreter präsent ist“, hieß es dazu aus der Innenbehörde. Er fahre mit Zuversicht nach Leipzig, sagte Mäurer im Vorfeld. „Moralisch und politisch“ sei das Verfahren jetzt schon ein Erfolg.
Sollte das Bundesverwaltungsgericht zu Bremens Gunsten entscheiden, dürften der DFL noch mehr Rechnungen ins Haus flattern. Inzwischen gibt es für Spiele seit 2015 sechs weitere Kostenbescheide, die laut Mäurer insgesamt 2,3 Millionen Euro schwer sind. Sie ruhen nun bis zur Gerichtsentscheidung.
Ob sich dann auch weitere Bundesländer ein Beispiel an Bremen nehmen und Rechnungen an die DFL schicken, ist fraglich. Obwohl Mäurer bei seinen Innenminister-Kollegen ordentlich Werbung für seinen Vorstoß gemacht hat, war die Reaktion – außer in Rheinland-Pfalz – bisher zurückhaltend. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) schloss eine Gebühr aus, Hamburg will das letztinstanzliche Urteil abwarten und dann eine Position zur Frage der Kostenbeteiligung bei Risiko-Fußballspielen entwickeln.
Werder Bremen hat bereits vorgesorgt und Rücklagen in Höhe von einer Million Euro gebildet. Weil der Verein bei Heimspielen als Veranstalter auftritt, ist er sich sicher, dass sich die DFL bei einer Niederlage vor Gericht die Kosten für die Polizeieinsätze dann bei ihm wiederholen wird.
Doch ob der Streit dann nach dem Bundesverwaltungsgericht wirklich beendet sein wird, ist fraglich. Bis heute beharrt die DFL darauf, dass die Bremische Gebührenordnung verfassungswidrig sei. Dass sich auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit dem Fall beschäftigen muss, ist durchaus möglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen