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Bundestrainer hört nach EM aufGratulation zum Rücktritt

Kommentar von Johannes Kopp

Joachim Löw wird nach der Europameisterschaft vorzeitig aus dem Amt scheiden. Gut so! Zu lange hat er sich von einer fixen Idee leiten lassen.

Der Wiedergutmachungskampf ist für Löw zur Obsession geworden Foto: dpa

E inen anderen Bundestrainer als Joachim Löw können sich junge Fußballfans vermutlich gar nicht mehr vorstellen. Am wenigsten allerdings schien sich dieser selbst aus dem Amt herausdenken zu können. So gesehen überraschte Löws Erklärung am Dienstag, nach der Europameisterschaft vor Ablauf seines Vertrags 2022 aufzuhören. In den letzten drei Jahren hat der 61-Jährige so beharrlich vom zu bewältigenden Neuaufbau und fernen Zielen gesprochen, dass man den Eindruck hatte, er wäre der immer ungemütlicher werdenden Gegenwart völlig entrückt.

Wiedergutmachung hatte sich Löw nach dem verpatzten WM-Turnier 2018 in Russland, bei dem das Team erstmals in der Vorrunde scheiterte, geschworen. Ein eigentlich gar nicht allzu großer Schatten hatte sich auf sein Lebenswerk gelegt, dem deutschen Fußball nicht nur wieder Erfolg (Weltmeister 2014), sondern vor allem auch Schönheit beschert zu haben.

Doch der Kampf gegen diesen Schatten ist für Löw zur Obsession geworden. Er wollte den deutschen Fußball ein zweites Mal neu erfinden. Und obwohl es dafür an verheißungsvollen Talenten fehlte, ignorierte er die starken Auftritte ehemaliger Stabilisatoren wie Thomas Müller oder Mats Hummels, die er zwecks Neuaufbau aus dem Team verbannt hatte. Löw wurde zunehmend als Eigenbrötler und weniger als Fußballfachmann wahrgenommen. Zumal seine „Neubauten“ insbesondere bei der 0:6-Niederlage vergangenen November gegen Spanien einen extrem windschiefen Eindruck ­machten.

Zu seiner Rücktrittsentscheidung kann man Löw nur gratulieren. Er ist damit einem wahrscheinlichen Rauswurf nach der EM zuvorgekommen, der nun wahrlich einen größeren Schatten auf seine Ära geworfen hätte. Seine 15-jährige Amtszeit deckt sich fast identisch mit der Ära Merkel, die auch etwas verschlissen wirkt. Wenn Bundestrainer vom Volk gewählt würden, hätte Löw indes bereits 2018 keine Chance mehr gehabt. Vermutlich hat auch das dazu beigetragen, dass sich Löw von seiner fixen Idee der Wiedergutmachung nicht lösen konnte.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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2 Kommentare

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  • Der Rücktritt kommt mindestens 6 Jahre zu spät. Jetzt aber bitte unbedingt auch noch Bierhoff in die Wüste schocken.

  • Wenn Herr Löw aufhört ist das halt das Ende einer Ära, jetzt sollte man aber auch solche Leute wie Bierhoff gleich mit entfernen und einen richtigen Neustart machen.