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Bundestagswahlkampf der SPD BerlinRolf Mützenich ist müde

Beim Stimmenfang für die Bundestagswahl setzt die Berliner SPD in Spandau auf Promiunterstützung. Der hiesige Direktkandidat ist ein schweigsamer Typ.

Zwei SPD-Fraktionschefs im „Spandauer Bock“: Raed Saleh (l.) und Rolf Mützenich Foto: SPD-Fraktion Berlin

Berlin taz | Der Stargast des Abends wirkt abgekämpft, noch bevor die Veranstaltung angefangen hat. Schon vor dem Eingang zum „Spandauer Bock“ wird Rolf Mützenich von einer älteren Frau abgefangen und zugetextet. Der Chef der SPD-Fraktion im Bundestag sagt ein paar unverbindliche Worte. Dann schiebt er sich in die aus allen Nähten platzende Kneipe in der Spandauer Altstadt.

Es ist Wahlkampf und Mützenich am Mittwochabend zu Gast bei der SPD Spandau, den örtlichen Direktkandidaten der Partei für die Wahl am Sonntag zu unterstützen, den Bundestagsabgeordneten Helmut Kleebank. Ein Kneipenabend, immerhin im Warmen, wenn auch nur kurz. Mützenich hat nicht viel Zeit. Kleebank zurrt gleich eingangs den Rahmen fest. „Eine knappe Stunde konzentrierte Diskussion“, mehr sei nicht drin für seinen SPD-Kollegen.

Der „Spandauer Bock“ ist eine sympathisch holzgetäfelte Bier- und Schnapshöhle: Sinnsprüche über das Trinken an der Wand, hinter dem Tresen eine Schultheiß-Kuckucksuhr, in der Mitte des Schankraums hängt eine Leuchtreklame für Asbach Uralt von der Decke. Was irgendwie passt. Zu den überwiegend ergrauten Gästen wie zum Gastgeber SPD selbst.

Einmal quer durchs Gemüsebeet

Rolf Mützenich pflügt sich dann einmal quer durchs wahlkämpferische Gemüsebeet: bestes Tariftreuegesetz, beste Mietpreisbremse, beste Rentenpolitik. Und was die SPD sonst noch alles machen wollte, seit Olaf Scholz Kanzler ist. „Tschuldigung, Herr Müntefering, dafür hatten Sie drei Jahre Zeit“, ruft ein Mann dazwischen. „Ich bin nicht Herr Müntefering“, ruft Mützenich zurück. Er ist etwas dünnhäutig.

Ansonsten geht es tatsächlich konzen­trierter zu als auf jedem SPD-Landesparteitag. Zwei Runden mit vier Publikumsfragen und vier Mützenich-Antworten – und schon ist die Stunde rum. Kleebank moderiert, ermahnt zwischendurch, dass die Fragen bitte nicht so lang ausfallen mögen. Darüber hinaus sagt der SPD-Direktkandidat für den Wahlkreis Spandau-Charlottenburg Nord nicht viel.

Helmut Kleebank war 10 Jahre Bezirksbürgermeister von Spandau, bevor er hier 2021 für die SPD das Direktmandat holte und im Bundestag Platz nahm. Durch größere Bundestagsreden, knallige Forderungen oder wegweisende Initiativen ist er dabei nicht aufgefallen. Positiv gewendet ließe sich sagen: Kleebank ist folgerichtig auch nicht negativ aufgefallen. Es heißt, in Spandau sei er sehr beliebt.

Legt man eine von Wahl­kämp­fe­r:in­nen zwar gern heranzitierte, aber mit größter Vorsicht zu genießende Wahlkreisprognose zugrunde, ist Kleebank der am wenigsten chancenlose unter den 12 chancenlosen SPD-Direktkandidat:innen in den 12 Berliner Wahlkreisen. Gewinnen würde demnach trotzdem der CDU-Kandidat.

„Wir lassen keine Kneipe aus“

Der eigentliche Steuermann der SPD Spandau ist am Mittwoch im Anschluss an die Runde trotzdem hochzufrieden. Der Abend sei doch super gelaufen, bilanziert Raed Saleh, SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus und seit 2008 Kreisvorsitzender der Partei. Sicher, es könnte am Sonntag „saueng“ für Kleebank werden und der Bundestrend sei „brutal“ – natürlich nur der. „Aber der Helmut ist sehr viel unterwegs. Wir lassen keine Kneipe aus“, sagt Saleh im Gespräch.

Rolf Mützenich ist da längst gegangen. Der „Spandauer Bock“ sei der dritte und letzte Wahlkampftermin an diesem Tag, hatte er zur taz gesagt. Er sei jetzt müde.

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1 Kommentar

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  • „Ich bin nicht Herr Müntefering“ - doch (bis auf den Unterschied, dass seine Schwiegereltern nicht jünger sind als er selbst), und das ist eins der zentralen Probleme der SPD.