Bundestagswahlkampf der SPD Berlin: Rolf Mützenich ist müde
Beim Stimmenfang für die Bundestagswahl setzt die Berliner SPD in Spandau auf Promiunterstützung. Der hiesige Direktkandidat ist ein schweigsamer Typ.

Es ist Wahlkampf und Mützenich am Mittwochabend zu Gast bei der SPD Spandau, den örtlichen Direktkandidaten der Partei für die Wahl am Sonntag zu unterstützen, den Bundestagsabgeordneten Helmut Kleebank. Ein Kneipenabend, immerhin im Warmen, wenn auch nur kurz. Mützenich hat nicht viel Zeit. Kleebank zurrt gleich eingangs den Rahmen fest. „Eine knappe Stunde konzentrierte Diskussion“, mehr sei nicht drin für seinen SPD-Kollegen.
Der „Spandauer Bock“ ist eine sympathisch holzgetäfelte Bier- und Schnapshöhle: Sinnsprüche über das Trinken an der Wand, hinter dem Tresen eine Schultheiß-Kuckucksuhr, in der Mitte des Schankraums hängt eine Leuchtreklame für Asbach Uralt von der Decke. Was irgendwie passt. Zu den überwiegend ergrauten Gästen wie zum Gastgeber SPD selbst.
Einmal quer durchs Gemüsebeet
Rolf Mützenich pflügt sich dann einmal quer durchs wahlkämpferische Gemüsebeet: bestes Tariftreuegesetz, beste Mietpreisbremse, beste Rentenpolitik. Und was die SPD sonst noch alles machen wollte, seit Olaf Scholz Kanzler ist. „Tschuldigung, Herr Müntefering, dafür hatten Sie drei Jahre Zeit“, ruft ein Mann dazwischen. „Ich bin nicht Herr Müntefering“, ruft Mützenich zurück. Er ist etwas dünnhäutig.
Ansonsten geht es tatsächlich konzentrierter zu als auf jedem SPD-Landesparteitag. Zwei Runden mit vier Publikumsfragen und vier Mützenich-Antworten – und schon ist die Stunde rum. Kleebank moderiert, ermahnt zwischendurch, dass die Fragen bitte nicht so lang ausfallen mögen. Darüber hinaus sagt der SPD-Direktkandidat für den Wahlkreis Spandau-Charlottenburg Nord nicht viel.
Helmut Kleebank war 10 Jahre Bezirksbürgermeister von Spandau, bevor er hier 2021 für die SPD das Direktmandat holte und im Bundestag Platz nahm. Durch größere Bundestagsreden, knallige Forderungen oder wegweisende Initiativen ist er dabei nicht aufgefallen. Positiv gewendet ließe sich sagen: Kleebank ist folgerichtig auch nicht negativ aufgefallen. Es heißt, in Spandau sei er sehr beliebt.
Legt man eine von Wahlkämpfer:innen zwar gern heranzitierte, aber mit größter Vorsicht zu genießende Wahlkreisprognose zugrunde, ist Kleebank der am wenigsten chancenlose unter den 12 chancenlosen SPD-Direktkandidat:innen in den 12 Berliner Wahlkreisen. Gewinnen würde demnach trotzdem der CDU-Kandidat.
„Wir lassen keine Kneipe aus“
Der eigentliche Steuermann der SPD Spandau ist am Mittwoch im Anschluss an die Runde trotzdem hochzufrieden. Der Abend sei doch super gelaufen, bilanziert Raed Saleh, SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus und seit 2008 Kreisvorsitzender der Partei. Sicher, es könnte am Sonntag „saueng“ für Kleebank werden und der Bundestrend sei „brutal“ – natürlich nur der. „Aber der Helmut ist sehr viel unterwegs. Wir lassen keine Kneipe aus“, sagt Saleh im Gespräch.
Rolf Mützenich ist da längst gegangen. Der „Spandauer Bock“ sei der dritte und letzte Wahlkampftermin an diesem Tag, hatte er zur taz gesagt. Er sei jetzt müde.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen