Bundestag debattiert Spätabtreibung: Union will Bußgeld für Ärzte
Im Bundestag kämpfen Behindertenpolitiker und Frauenrechtler um ein neues Gesetz zu Spätabtreibungen. Dahinter steht der Verdacht, Behinderte würden zu schnell abgetrieben.
BERLIN taz Wie kann man schwangeren Frauen sinnvoll helfen, wenn sich herausstellt, dass das Kind in ihrem Bauch behindert ist? Darüber wird der Bundestag voraussichtlich am 18. Dezember beraten. Am Mittwoch präsentierten die FrauenpolitikerInnen von SPD und Grünen einen weiteren Antrag dazu. Damit liegen nun die drei wichtigsten Anträge aus den Reihen der Koalition vor. FDP und Linke denken noch über eigene Entwürfe nach.
Die Koalitionsanträge unterscheiden sich nur graduell, doch sind diese feinen Unterschiede politisch hoch aufgeladen. Christlich orientierte Abgeordnete und BehindertenpolitikerInnen stellen sich eher hinter die schärferen Formulierungen, FrauenpolitikerInnen dagegen wollen auf jeden Fall vermeiden, dass Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, am Pranger stehen und setzen deshalb niederschwelliger an.
Den weitestgehenden Antrag hat Unions-Familienpolitiker Johannes Singhammer formuliert. Er möchte die Ärzte zu 10.000 Euro Bußgeld verdonnern können, wenn sie ihrer Beratungspflicht bei Spätabtreibungen nicht nachkommen. Sie sollen auch zu einer Statistik beitragen, in der die Diagnose beschrieben wird. Zudem ist eine dreitägige Bedenkzeit vorgesehen. Den Antrag unterstützen bisher 196 Abgeordnete, darunter die ehemalige SPD-Frauenministerin Renate Schmidt.
Für die Bedenkzeit und die Beratungspflicht ist auch der zweite Gesetzentwurf, den die SPD-Familien- und Kirchenpolitikerin Kerstin Griese vorgelegt hat. Unterstützt wird sie von weiteren Christen: Wolfgang Thierse (SPD) etwa, oder Katrin Göring-Eckardt von den Grünen. Auch Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen hat den Antrag unterschrieben. Was diese PolitikerInnen nicht wollen, ist die statistische Erfassung der Diagnosen. Sie sehen die Gefahr, dass angesichts der geringen Fallzahl einzelne Frauen identifiziert werden könnte und damit unter Druck geraten.
Der dritte Antrag der FrauenpolitikerInnen von SPD und Grünen hält die Gesetzeslage für ausreichend. Klarstellungen in Mutterschafts- und ärztlichen Richtlinien sollen die Beratungspflicht verdeutlichen. Zudem sollen bessere Fördermöglichkeiten für behinderte Kinder geschaffen werden.
Hinter den schärferen Entwürfen steht der Wunsch, die Zahl der abgetriebenen behinderten Kinder zu senken. Dabei läßt sich leicht der Verdacht wittern, die Frauen würden sich leichtfertig oder zumindest schlecht beraten gegen ein solches Kind entscheiden. Doch Frauenärzte und Beratungsstellen beteuern das Gegenteil. Der Chef des Frauenärzteverbands in Rheinland-Pfalz, Werner Harlfinger, spricht von einer "Unverschämtheit" gegenüber GynäkologInnen und Schwangeren. "Jeder einzelne Fall kommt vor eine Ethikkommission, wird mit den Frauen ausgiebig beraten und selbstverständlich auch dokumentiert. Es ist eine Frechheit, uns hier Leichtfertigkeit zu unterstellen," so Harlfinger. "Man kann nicht im Ernst vermuten, ein Gynäkologe würde leichtfertig ein Kind töten." Die von der Union gewünschte Pflicht, Diagnosen weiterzumelden, hält er für unzulässig: "Das ist ein schwerwiegender Eingriff ins Arztgeheimnis." Der Gynäkologe sieht den Handlungsbedarf woanders: "Ich sehe, wie behinderten Kindern von den Krankenkassen kaum eine Therapie bezahlt wird. Und wie Mütter vor Gericht um ihr Pflegegeld kämpfen müssen. Im Moment werden die Frauen geopfert, wenn sie ein behindertes Kind zur Welt bringen. Daran sollte die Union mal etwas ändern." HEIDE OESTREICH
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