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Bundesratsinitiative angekündigtEnde der Atom-Subventionen gefordert

Steuerfreie Atom-Rückstellungen will SPD-Energieexperte Scheer beenden. Damit stellt er sich gegen den Atomkonsens: Den hätten die Konzerne ohnehin längst gebrochen.

Finanzierung der Entsorgung vor Neuregelung? Atomkraftwerk Grundremmingen Bild: dpa

WIESBADEN taz Die Finanzierung der atomaren Entsorgung und die Haftung für Atomunfälle müssen neu geregelt werden: Das fordert Hermann Scheer, SPD-Energieexperte im Bundestag und Schatten-Umweltminister in Hessen. Für den Fall eines Regierungswechsels kündigte er am Mittwoch eine entsprechende Bundesratsinitiative an.

Die Erträge aus den 30 Milliarden Euro, die die Energiekonzerne für den Rückbau und die Entsorgung stillgelegter Atomkraftwerke vorhalten müssen, sind bisher steuerfrei. Diese "Subvention" dürfe nicht länger hingenommen werden, sagte Scheer. Zudem stünden diese Gelder in den meisten Fällen überhaupt nicht zur Verfügung, weil die Konzerne sie zweckentfremdet haben - etwa durch den Zukauf kleinerer Energieproduzenten.

In diesem Konzentrationsprozess sieht Scheer auch einen der wesentlichen Gründe für die "überdimensionierten Preissteigerungen" der letzten Zeit. Und der "operative Vorteil", den die Konzerne dadurch hätten, dass sie beliebige Investitionen aus steuerfreien Atom-Rückstellungen tätigen dürfen, sei mitverantwortlich dafür, dass die Konzerne unbedingt am Betrieb von Atomkraftwerken festhalten.

Auch die EU-Kommission hat mit Blick auf die Rückstellungspraxis für die atomare Entsorgung in Deutschland "schwerwiegende Bedenken" geäußert. Der Wettbewerb auf dem Binnenmarkt werde dadurch "verzerrt". Scheer schlägt jetzt die Bildung eines speziellen Fonds auf gesetzlicher Grundlage vor, in den die jährlichen Rückstellungen einfließen sollen. Abgerufen werden dürften sie von den Kraftwerksbetreibern nur noch für den eigentlichen Rückstellungszweck: Rückbau und Entsorgung von Atomkraftwerken.

Eine entsprechende Gesetzesinitiative hatte Scheer 1999 schon einmal im Bundestag eingebracht. Die Atomwirtschaft habe dann allerdings die "Nichtbefassung" mit dieser Vorlage zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Atomkonsens mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung gemacht. Inzwischen allerdings hätten die Atomkraftwerksbetreiber im Verbund mit Union und FDP mit ihren Kampagnen für die Verlängerung der Laufzeiten diesen Atomkonsens "praktisch aufgekündigt". Ein Ausstiegsgesetz, sagt Scheer denn auch rückblickend kritisch, wäre damals die "elegantere Lösung" gewesen - nicht der Konsens.

Für den Fall des Regierungswechsels in Hessen kündigte Scheer darum eine entsprechende Bundesratsinitiative an. In dieser soll zudem die Haftungsfrage neu geregelt werden. Nach der gegenwärtigen Praxis seien alle 17 Atommeiler in Deutschland zusammen bis zu einer Haftungsobergrenze von 2,5 Milliarden Euro versichert. Für Scheer "angesichts des größten denkbaren unmittelbaren Schadensrisikos für die Allgemeinheit viel zu wenig". Der Gesetzgeber müsse in Anlehnung an Vorschläge der EU jetzt dafür sorgen, dass jede Betreibergesellschaft für jeden ihrer Atomreaktoren eine Deckungsvorsorge von 2,5 Milliarden Euro auferlegt bekomme.

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4 Kommentare

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  • E
    EgalDVRS

    Lieber Sascha Bachmann,

     

    dass Herr Scheer einer Lobby angehört sollte nur erwähnt werden, damit eben niemand auf die Idee kommen könnte, dass er ein sog. Gutmensch ist! Im Grunde finde ich es nicht schlecht, wenn jede Lobby (verfassungsfeindliche ausgeschlossen) ihre Vertreter hat, ich persönlich bin Demokrat also warum sollte ich das schlecht finden....

    Die "Lobby der Erneuerbaren" hat sich denn billigsten Gegner, die Kernkraft, ausgesucht, um eben nicht darüber reden zu müssen, wie es mit der Wirtschaftlichkeit Ihrer Energieträger aussieht!

    Zu Ihrer Frage:

    "Seit wann gibt es Subventionen für die Atomenergie und seit wann das Erneuerbare Energiengesetz? Nochmal rechnen, bitte!"

    Ich habe doch klar dargelegt wieviel angebliche Subventionen in die Kernkraft geflossen sind 7,5 Mrd E (s.o.) in 46 Jahren. In nur 30 Jahren sind in die Erneuerbaren 3,8 Mrd und in nur 3 Jahren musste der Bundesbürger 3,6 Mrd E für den Erneuerbaren Strom nochmal oben drauf bezahlen! ...und wofür?

    Für ca. 4% des Stroms!!!

    Des Weiteren ist die verbohrte Haltung der deutschen Grünen, Herr Bachmann ;-), gegenüber der Kernkraft langsam nicht mehr nachzuvollziehen (Ihre Kollegen in Finnland sind da weitaus umsichtiger und pragmatischer). Die Kernkraft könnte eben gerade den Erneuerbaren helfen sich zu etablieren und endlich wirtschaftlich zu werden, ohne Subventionen und Mrd vom Bürger!

    Wären Grüne und seit einiger Zeit auch die SPD mal bereit, sich aus ihrer ideologischen Nische zu bewegen, dann könnte man sich zusammensetzen, um eine günstige, sichere u. ökologische Energieversorgung in Deutschland aufzubauen und dazu gehört eben nun mal auch die von allen so verteufelte Kernenergie! ...das will der gemeine taz-Leser und/oder Grüne aber leider nicht wahrhaben, er bekommt ja auch nur ihm entsprechende Infos...

  • SB
    Sascha Bachmann

    Sehr geehrte/r EgalDVRS, Hermann Scheer ist Präsident einer Lobby, na und? Soll es nur Vertreter von Öl und Atom in der Politik geben?

     

    "Wir haben also ein klassisches Patt auf der Ausgabenseite." - Seit wann gibt es Subventionen für die Atomenergie und seit wann das Erneuerbare Energiengesetz? Nochmal rechnen, bitte! Die Atomenergie hat Unsummen verschlungen durch den Kraftwerksbau, die Wartung und Jahrzente von Subventionen. Mal ganz davon abgesehen, was sie uns hinterlassen - einen Abfall, der nur tief unter der Erde verscharrt werden kann, weil er sonst die gesamte Umwelt verstrahlt.

     

    Natürlich sind die regenerativen Energien ein riesiges Geschäft. Ich denke Lobbyverhalten schadet der Idee nicht. Das Wort "Gutmensch" ist hier wie anderswo mehr als unangebracht.

     

    Alle Menschen, alle brauchen Geld, alle versuchen welches zu machen. Manche spielen dabei mit dem Leben anderer (Atomkraft) und andere haben die Zeichen der Zeit erkannt (Solarstrom u.a.).

     

    Ich kann daran nichts schlechtes sehen, nur weiterhin an den Atomstromkonzernen aus bekannten Gründen.

  • C
    christoph

    Wirklich ein gelungener Artikel! Das macht immer wieder Mut!

     

    Bei dem ersten Kommentar gerät leider, wie so oft, vieles völlig durcheinander.

     

    Die Vergütung durch das EEG ist definitiv keine Subvention! Im Zweifelfall einfach mal nicht alles glauben, was mittlerweile fast jeder Beitrag zu dem Thema behauptet, sondern ins Gesetz schauen: http://www.bmu.de/gesetze/verordnungen/doc/2676.php

    Es ist eine Umlagefinanzierung, die auf die Stromverbraucher durch die Energiekonzerne wirkt.

     

    Wo kommen die F+E Zahlen her? Produziert F+E auch Strom? Nein, natürlich nicht! Aber wenn man hier die tatsächlichen, grotesken staatlichen Subventionen für Atomenergie darstellen würde, wozu ich gerne auffordern möchte, dann sieht das Bild deutlich anders aus. Ganz zu schweigen für von den exorbitanten Folgekosten für Staat, Anwohner, Umwelt und Wirtschaft. Rechnen sie doch mal bitte nur kurz mit ihrem Taschenrechner die Kosten für die Angestellten die etwa 1 Million Jahre den Atommüll bewachen müssen!

     

    Vielleicht hier noch gleich im Vorfeld ein paar BMU Fakten für alle die sich grad vor dem Bildschirm aufregen: http://www.bmu.de/atomenergie/ausstieg_atomenergie/doc/2715.php

     

    Da in den nächsten fünf, sechs Jahren die Grid-Parity eh zugunsten wirklich günstiger und sauberer erneuerbarer Energie aus Sonne, Wind, Biomasse, Wasser und Geothermie läuft, sind solche Verteidigungen der Atomenergie die noch nicht mal 100 mickrige Jahre ein kleines bisschen Strom produzieren schon fast als ein Treppenwitz der Geschichte einzustufen.

  • E
    EgalDVRS

    1. in Hessen ist Wahlkampf und zum wiederholten Male sei gesagt, dass Hermann Scheer der Präsident von EUROSOLAR der "Öko"-Strom-Lobby ist.

    2. Was nicht gesagt wird ist: Die EU-Kommission hat entschieden, dass die von den deutschen Kernkraftwerksbetreibern gebündelten Rückstellungen mit EU-Wettbewerbsrecht vereinbar sind! Deshalb wurden auch entsprechende Klagen zurückgewiesen!

    3. Wird der Strom für erneuerbare Energien subventioniert (durch EEG) was ebenfalls eine Wettbewerbsverzerrung wäre, die ja gewollt und m.E. akzeptabel ist, wenn wir erneuerbare Energien etablieren wollen.

    4. Zu angeblichen Subventionen: Die Subventionen für Erneuerbare Energie belaufen sich auf derzeit ca. 7,5 Mrd ? (F+E 1974 - 2004: 3,8 Mrd?; plus 2001-2004: 3,6 Mrd? die Differenz der Strompreisvergütung die vom Bürger getragen wird!). Die F+E Ausgaben für die Kernkraft belaufen sich von 1956 bis 2002 auf ca. 7,5 Mrd ?. Wir haben also ein klassisches Patt auf der Ausgabenseite. Demgegenüber stehen aber ca. 3.700 Mio kWh Strom aus Kernkraft (bis 2003) und 160 Mio kWh Strom aus Wind/Sonne (bis 1990-2006 voher unbedeutend). Das sollte einiges klar machen.

     

    Die Regenerativen sind ein riesiges Geschäft, wer da noch an Gutmenschen glaubt... ;-) ...Schade für die Idee die hinter den Regenerativen stecken könnte: nämlich einen breiten Energiemix, der uns unabhängiger machen würde von Gas und Öl.