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Bundesrat berät über Gaffer-GesetzStrafe fürs Rumstehen

Dem Bundesrat liegt ein Gesetzentwurf vor: Gaffer, die bei Unfällen im Weg stehen und Tote knipsen, sollen bestraft werden.

So ein Knipsen soll strafbar werden Foto: dpa

Freiburg taz | Gaffer, die Rettungskräfte behindern, sollen künftig bestraft werden. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den Niedersachsen am Freitag in den Bundesrat eingebracht hat. Gaffer seien „widerlich“, sagte der Hannoveraner Innenminister Boris Pastorius (SPD) zur Begründung, man müsse ihnen „das Handwerk legen“.

Ins Strafgesetzbuch soll ein neuer Paragraf 115 („Behinderung von Hilfeleistungen“) eingeführt werden. Wer am Unglücksort die Helfer von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdiensten behindert, soll künftig mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht werden. So steht es in einem niedersächsischen Gesetzentwurf, der bisher aber nur von Berlin unterstützt wird.

Seit fünf Jahren ist es bereits strafbar, Feuerwehr und Rettungskräfte tätlich anzugreifen oder durch Drohungen zu behindern. Das hält Pistorius aber nicht für ausreichend. Denn bloße „Gafferpraktiken“ blieben weiter straffrei. „Die Praxis zeigt immer wieder, dass Katastrophentouristen und Schaulustige die Rettungskräfte behindern, während entscheidende Sekunden verstreichen.“

Der SPD-Politiker sieht darin ein wachsendes Problem, ausgelöst durch die Verfügbarkeit von Handys und Smartphones. „Das Fotografieren an der Unfallstelle dient nur dazu, die Fotos in sozialen Netzwerken zu teilen und so die eigene Geltungssucht zu befriedigen.“ Strafbar soll nach der neuen Vorschrift freilich nicht nur das Fotografieren sein, sondern jede „Behinderung“ der Rettungskräfte, also wohl auch das massenhafte Herumstehen an der Unfallstelle.

Schutz nicht nur für Lebende

Aus welchem Abstand das Gaffen künftig noch legal wäre, lässt der Gesetzentwurf offen. Fraglich ist auch, ob es die Rettungsarbeiten erleichtert, wenn die Polizei vor Ort künftig Personalien der Gaffer aufnehmen und Beweise sichern muss. Pistorius hofft vor allem auf einen „Abschreckungseffekt“ durch die vorgeschlagene Strafnorm.

Ein zweiter Punkt des niedersächsischen Gesetzentwurfs zielt auf das Fotografieren von Unfalltoten. Hier soll der 2015 eingeführte Paragraf 201a „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ erweitert werden.

Bisher werden nur Lebende vor Aufnahmen geschützt, die sie bloßstellen oder ihr Ansehen schädigen. Niedersachsen will den Schutz auf „Verstorbene“ erstrecken.

Der vorgeschlagene Wortlaut würde auch das Ansehen eines SPD-Politikers schützen, der in der Ferienvilla eines Waffenhändlers einen Herzinfarkt erlitt.

Außerdem ist es heute schon nach dem Kunsturhebergesetz strafbar, Bilder von unbekannten Toten ohne Erlaubnis der Angehörigen zu verbreiten. Neu wäre nur, dass schon das Knipsen strafbar wäre. Pistorius hält das für notwendig: „Denn wenn das Bild bereits verbreitet ist, ist es zu spät.“

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10 Kommentare

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  • Eine seltsame Kultur:

    viele rasen und drücken sich vorbei. Aber bei Schädigungen anderer gaffen?

    Man weiß doch was man zu tun hat: Helfen oder weitergehen.

    Strafen bringen es aber nicht.

    Da sollten wir uns was anderes einfallen lassen.

    Ich glaube nicht an die Abschreckung von Strafen.

  • Zu bedenken ist auch, dass es im Rahmen der Pressefreiheit zuweilen geboten ist, Verletzte und Verstorbene zu fotografieren, um die Situation in Kriegs- und Kriesengebieten dar zu stellen.

  • 3G
    33641 (Profil gelöscht)

    Strafe für Gaffer? Das mag ja bei einzelnen möglich sein, aber wie ist es bei Dutzenden?

  • Am Neckarufer kollabierte eine älterer Herr, mein Bruder und ich leisteten so gut es ging 1. Hilfe. Eine Gruppe Jugendliche filmte uns dabei. Als ich sie aufforderte einen Krankenwagen zu rufen, da wir keine Telefone dabei hatten, kam keiner der Aufforderung nach. Mein Bruder der normalerweise der besonnere ist packte einen Jungen und nahm ihm das Handy ab und rief einen Rettungswagen. Das Geschrei war groß, da wir aber beide recht grobschlächtig wirken, wagte es die Gruppe nicht etwas zu unternehmen. Eines der Mädchen rief dann die Polizei (wegen des fiesen Raubes).

    Der Streifenwagen kam noch vor dem Notarzt. Die Polizisten waren fassungslos und teilten dem jungen Mann mit, dass er wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werde, wenn es zu einem Prozess käme. Sie erteilten einen Platzverweis und einer meinte zu mir im breitesten Monnemerisch: Ich hät des Scheissding in de Neckar gschmisse un den Kerl hinnerher.

    • 3G
      33641 (Profil gelöscht)
      @FraMa:

      Da hatten Sie aber Glück, dass die P. die Sachlage begriffen haben. In Schland bekommt meistens der Recht, der zuerst anzeigt.

  • Normalerweise bin ich gegen jede Verbotspolitik und als Osnabrücker, verachte ich Pistorius wirklich zutiefst.

     

    Aber das Problem der Gaffer, die tatsächlich Menschenleben kosten, ist Real und wirklich Wiederlich.

     

    Menschen haben kaum ein Gefühl dafür, wann sie im Weg stehen. Das merkt man im Alltag doch auch ständig. Ob im Supermarkt Eingang, oder beim Versperren von Bus Ausgangstüren wenn die Leute raus wollen, -Menschen haben ein Talent dazu, einfach nur dämlich im Weg zu stehen...

    Und man sieht es ihnen an, das sie keine 5 Milisekunden darüber Nachdenken, das sie gerade allen anderen im Weg stehen...

     

    Jeder kennt das. Und schon im Alltag nerft es.

    Aber wenn es um Leben und Tod geht, reichen Beschwerden nicht mehr.

    Dann muss man solche Idioten auch wirklich mal Bestrafen.

     

    Ich will das M Wort dafür nicht benutzen, aber wer dort im Weg steht ist mmn mindestens des Totschlags schuldig....

    • @redhad:

      Nur wenn wir jetzt jede Pietätlosigkeit verurteilen landen wir auch schnell im totalen Verbotsstaat.

       

      Das Anliegen ist sicher für Jedermann löblich aber genau deswegen muss man sich doch fragen ob da nicht einfach nur für Wählerstimmen verboten wird.

      Weil die Sachlage müsste mMn unter so schlagkräftige Paragrafen wie "Begehen durch Unterlassen" § 13 I StGB bereits strafrechlich verfolgt.

       

      Bilder von Toten offenbaren fehlenden Anstand - aber den kann und sollte man nicht verordnen(müssen).

      • @Chaosarah:

        ..aber es sieht ganz danach aus. Und Anstand und gutes Benehmen, Rücksicht Hilfsbereitschaft sind Erziehungssache. Aus dem berechtigten Wunsch nach Selbstverwirklichung ist bei erschreckend vielen Leuten ein beschämender grenzenloser Egoismus geworden. Und rücksichtsvolles Benehmen ist einfach Erziehungssache.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Befindet sich die SPD in einem Wettkampf mit den Grünen? Wer kann innerhalb einer Legistlaturperiode die meisten Verbote vorschlagen?

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @33523 (Profil gelöscht):

      In welcher Legislaturperiode haben die GRÜNEN denn so viele Verbote ausgesprochen und vor allem WELCHE denn? Dieses Verbot ist überfällig. Oder wollen Sie vielleicht selber mit einem netten Clip bei RTL Geld verdienen???