Bundesrat berät über Gaffer-Gesetz: Strafe fürs Rumstehen
Dem Bundesrat liegt ein Gesetzentwurf vor: Gaffer, die bei Unfällen im Weg stehen und Tote knipsen, sollen bestraft werden.
Ins Strafgesetzbuch soll ein neuer Paragraf 115 („Behinderung von Hilfeleistungen“) eingeführt werden. Wer am Unglücksort die Helfer von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdiensten behindert, soll künftig mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht werden. So steht es in einem niedersächsischen Gesetzentwurf, der bisher aber nur von Berlin unterstützt wird.
Seit fünf Jahren ist es bereits strafbar, Feuerwehr und Rettungskräfte tätlich anzugreifen oder durch Drohungen zu behindern. Das hält Pistorius aber nicht für ausreichend. Denn bloße „Gafferpraktiken“ blieben weiter straffrei. „Die Praxis zeigt immer wieder, dass Katastrophentouristen und Schaulustige die Rettungskräfte behindern, während entscheidende Sekunden verstreichen.“
Der SPD-Politiker sieht darin ein wachsendes Problem, ausgelöst durch die Verfügbarkeit von Handys und Smartphones. „Das Fotografieren an der Unfallstelle dient nur dazu, die Fotos in sozialen Netzwerken zu teilen und so die eigene Geltungssucht zu befriedigen.“ Strafbar soll nach der neuen Vorschrift freilich nicht nur das Fotografieren sein, sondern jede „Behinderung“ der Rettungskräfte, also wohl auch das massenhafte Herumstehen an der Unfallstelle.
Schutz nicht nur für Lebende
Aus welchem Abstand das Gaffen künftig noch legal wäre, lässt der Gesetzentwurf offen. Fraglich ist auch, ob es die Rettungsarbeiten erleichtert, wenn die Polizei vor Ort künftig Personalien der Gaffer aufnehmen und Beweise sichern muss. Pistorius hofft vor allem auf einen „Abschreckungseffekt“ durch die vorgeschlagene Strafnorm.
Ein zweiter Punkt des niedersächsischen Gesetzentwurfs zielt auf das Fotografieren von Unfalltoten. Hier soll der 2015 eingeführte Paragraf 201a „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ erweitert werden.
Bisher werden nur Lebende vor Aufnahmen geschützt, die sie bloßstellen oder ihr Ansehen schädigen. Niedersachsen will den Schutz auf „Verstorbene“ erstrecken.
Der vorgeschlagene Wortlaut würde auch das Ansehen eines SPD-Politikers schützen, der in der Ferienvilla eines Waffenhändlers einen Herzinfarkt erlitt.
Außerdem ist es heute schon nach dem Kunsturhebergesetz strafbar, Bilder von unbekannten Toten ohne Erlaubnis der Angehörigen zu verbreiten. Neu wäre nur, dass schon das Knipsen strafbar wäre. Pistorius hält das für notwendig: „Denn wenn das Bild bereits verbreitet ist, ist es zu spät.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut