Bundespräsidentenwahl in Österreich: Was käme mit Norbert Hofer?
Als Präsident hätte der FPÖ-Politiker deutlich mehr Einfluss als sein Amtskollege in Deutschland. Und er will kräftig aufräumen. Ein Szenario.
Inzwischen würde Hofer die Aussage, die von vielen als eine gefährliche Drohung verstanden wurde, gern wieder zurücknehmen. Denn Herr und Frau Österreicher schimpfen zwar gern über die Regierung, wünschen sich an der Staatsspitze aber niemanden, der für ständige Unruhe sorgt.
Tatsächlich ist der Bundespräsident von der Verfassung mit erheblich mehr Vollmachten ausgestattet als etwa sein deutsches Pendant. Er wird in direkter Wahl vom Volk gewählt, nicht durch einen politischen Kuhhandel im Parlament bestimmt. Was das bedeutet, mussten die Regierungsparteien im vergangenen April erfahren: Ihre Kandidaten fielen mit Stimmenanteilen um die 10 Prozent deutlich zurück. Stattdessen gelang Norbert Hofer (FPÖ) und dem von den Grünen aufgestellten Alexander Van der Bellen der Sprung in die Stichwahl.
Da gibt er den starken Mann
Während Van der Bellen eine berechenbare Größe ist und sich am Stil der Amtsführung seines Vorgängers orientieren will, lässt Hofer viele Fragen offen. Zu oft hat er sich aus Opportunitätsgründen auch selbst widersprochen.
Anfangs ging es darum, die Protestwähler zu mobilisieren. Da deutete Hofer an, er würde die Regierung bei erster Gelegenheit entlassen und Neuwahlen ausschreiben. Das kann er zwar, doch ist noch kein Bundespräsident bisher selbst initiativ geworden. Neuwahlen hat es immer nur gegeben, wenn die Regierung platzte oder sich aus taktischen Gründen für einen früheren Wahltermin entschloss.
Der Bundespräsident kann auch das Bundesheer mobilisieren, Notverordnungen erlassen und Verfahren niederschlagen. Aus guten Gründen hat aber bisher keiner der acht Amtsträger der Zweiten Republik von diesen Rechten Gebrauch gemacht.
Inzwischen ist Hofer vorsichtiger geworden. Bei Medienauftritten gibt er sich gemäßigt. Er wolle zuerst das Gespräch suchen, wenn die Regierung seiner Meinung nach nicht ordentlich arbeitet. Vor seinen Fans aber gibt er gern den starken Mann, dem es gar nicht schnell genug gehen kann, den eigenen Parteichef Heinz-Christian Strache ins Bundeskanzleramt zu hieven.
Klarer Vorsprung bei den Nationalratswahlen
Nationalratswahlen sind für Herbst 2018 geplant. Nach derzeitigen Umfragen liegt die FPÖ deutlich vor der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP. Hofer: „Dann gibt es einen freiheitlichen Bundespräsidenten, einen freiheitlichen Bundeskanzler und – Sie haben ganz vergessen – einen freiheitlichen Nationalratspräsidenten.“
Gern bezweifelt er Van der Bellens Überparteilichkeit. Er selbst verzichte darauf, sich zu verstellen: „Ich bin ein Freiheitlicher durch und durch.“ Als Bundespräsident müsste er zwar seine Parteimitgliedschaft ruhend stellen, seine Gesinnung würde er aber nicht an der Garderobe abgeben.
Er würde auch, wie er wiederholt bestätigt hat, seine Mitarbeiter aus dem Nationalrat in die Hofburg mitnehmen. Zumindest einer davon, René Schimanek, fand sich einst in der Entourage des verurteilten Neonazis Gottfried Küssel.
Als Herausgeber der Publikation Für ein freies Österreich bekennt sich Hofer selbst zu einem Gesellschaftsbild, das zu diesen Kreisen passt. So empfiehlt er Frauen, ihren „Brutpflegetrieb“ zu stillen, statt „Selbstverwirklichungsambitionen“ nachzugehen. Die Homo-Ehe lehnt er ab, „solange zwei Männer oder zwei Frauen miteinander keine Kinder bekommen können“.
Alte Träume neu geträumt
Am deutlichsten spürbar wäre die Wende in der Hofburg wohl in der Außenpolitik. „Das würde genauso werden wie einst unter Waldheim“, meint Oliver Tanzer, außenpolitischer Redakteur bei der Wochenzeitung Die Furche. Bundespräsident Kurt Waldheim (1986–1992), der wegen seiner Gedächtnislücken aus Kriegstagen auf dem Balkan vor allem im Ausland als Kriegsverbrecher verdächtigt wurde, brachte Österreich international in die Isolation.
„Wenn Marine Le Pen in Frankreich gewinnt, würde sich das ändern“, ist Zeitungsmann Tanzer überzeugt. Mit Wladimir Putin und Donald Trump würde Hofer sich gut verstehen. Der hat schon angekündigt, er wolle sich den nationalkonservativen Regierungen in Ungarn, Polen und Serbien annähern. Zu den Kronländern der ehemaligen Monarchie gebe es eine natürliche Nähe.
Er träumt von einem „Visegrád plus“ als Erweiterung der EU-skeptischen Gruppe Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei. Gleichzeitig wolle Hofer wohl aus der Not eine Tugend machen, so Tanzer, denn Einladungen zu Staatsbesuchen wären von ehesten aus ähnlich gestrickten Regierungen zu erwarten: „Zum Glück werden die diplomatischen Beziehungen aber nicht vom Bundespräsidenten, sondern von der Regierung hergestellt“.
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