Bundespräsidentenwahl in Österreich: Öko mit Heimatliebe
Der Grüne Alexander Van der Bellen öffnete seine Partei für bürgerliche Wähler. Der ehemalige Sozi ist keiner, der polarisiert – bislang mit Erfolg.
Wenn ein Grüner versucht, im Wahlkampf den Begriff Heimat zu besetzen, riecht das nach Anbiederung. Immerhin muss Alexander Van der Bellen möglichst viele frei gewordene konservative Stimmen in der Provinz einsammeln. Wirbt der Mann, der in verrauchten Studentenkneipen sozialisiert wurde und sein Berufsleben in Hörsälen und Studierzimmern zugebracht hat, nur deshalb mit unberührter Natur und Bergwelt?
Nein. Der langjährige Grünenchef kommt wirklich ins Schwärmen, wenn er vom Tiroler Kaunertal spricht. Dort verbrachte der 1944 geborene Van der Bellen seine Kindheit. Für seine Eltern, emigrierte Niederländer, die zuerst vor Stalins Terror von Russland nach Estland, dann nach Wien und 1945 vor der Roten Armee nach Tirol flüchteten, wurde das schroffe Tal zur rettenden Heimat.
Ausgerechnet 1968, im Jahr der Studentenrevolten, bekam Van der Bellen eine Assistentenstelle am Institut für Volkswirtschaft der Uni Innsbruck. Die Tiroler Landeshauptstadt lag zwar weitab von Paris und Berlin – doch der Geist der Revolution wehte auch ein wenig am Inn und trieb den jungen Volkswirt um.
Sein Professor, ein Vertreter der klassischen Lehre, rühmte sich, er könne sich auch einen linken Mitarbeiter leisten. Und der 24-jährige Jungakademiker nahm den sicheren Job gern an. Auch, wie er sich erinnert, weil ihm versichert wurde, er würde sein „gesamtes Berufsleben lang mit intelligenten Menschen zu tun haben: den Studenten“.
Sympathie selbst vom FPÖ-Chef
Damals hatte Van der Bellen ein SPÖ-Parteibuch. Damit war er im tiefschwarzen Tirol im öffentlichen Dienst ein Exot und Rebell. Sozialdemokrat blieb er auch, als er Jahre später eine Professur in Wien antrat. Sein grünes Erweckungserlebnis kam erst 1984, als Naturschützer sich in eisigen Winternächten an Bäume in der Hainburger Au bei Wien ketteten, um die Abholzung des Auwaldes für ein Kraftwerk zu verhindern. Die erfolgreiche Besetzung wurde zur Geburtsstunde der Grünen.
Seine Entfremdung von der SPÖ verortet Van der Bellen zwar in jener Zeit – doch weder demonstrierte er in der Au, noch kann er sich rühmen, zu den Gründervätern der Grünen zu zählen. Er wurde Jahre später von einem Exstudenten angeworben und schließlich 1998 für die Position des „Bundessprechers“, wie der Parteichef der Grünen heißt, vorgeschlagen.
Keine ganz unumstrittene Wahl, denn der kettenrauchende Professor mit seiner bedächtigen Art und seinem bürgerlichen Lebensstil verkörperte einen Typ, der sich von den meisten umweltbewegten Alternativen krass abhob. Vielleicht gerade deswegen vermochte er neue Wählerschichten anzusprechen und führte die Grünen in den zweistelligen Prozentbereich.
Er verweigerte das Coaching für professionellere Auftritte und konnte gerade durch seinen Verzicht auf Sprechblasen und seine nachdenkliche Art Sympathisanten weit über das grüne Biotop hinaus gewinnen. Selbst FPÖ-Chef Heinz Christian Strache findet den politischen Gegner persönlich sympathisch und erinnert sich an unzählige Zigaretten, die er im Raucherkammerl des Wiener Parlaments mit ihm konsumiert hat.
Lieber keine Gräben
Der freundliche Opa mit dem lässigen Dreitagebart kann aber auch ungemütlich werden, wie man sich in der Grünen-Fraktion erinnert. Wütend reagierte er, als eine Gruppe der Parteijugend auf einem Plakat suggerierte, man möge einen Hundehaufen in die rot-weiß-rote Fahne wickeln: „Nimm ein Flaggerl für dein Gackerl. Wer Österreich liebt, muss Scheiße sein.“
Dass er 2008 nach dem ersten kleinen Rückschlag bei einer Nationalratswahl unaufgefordert zurücktrat, rechneten ihm auch politische Gegner als konsequente Geste hoch an. Van der Bellen verzichtete auch darauf, Nachfolgerin Eva Glawischnig öffentlich gute Ratschläge zu geben, obwohl sie lange brauchte, um Tritt zu fassen.
Der Professor, der längst das Pensionsalter erreicht hatte, verschwand in der Versenkung des Nationalrats und nahm auch ein 2010 dank einer Vorzugsstimmenkampagne errungenes Mandat im Wiener Gemeinderat zunächst nicht an. Gleichzeitig wurde von der rot-grünen Stadtregierung für ihn der viel belächelte ehrenamtliche Posten des Beauftragten der Stadt Wien für Universitäten und Forschung geschaffen. An den Hochschulen werden seine Impulse für die Öffnung und Vernetzung der Universitäten aber wahrgenommen und geschätzt. Anders als sein Rivale Norbert Hofer würde Alexander Van der Bellen als Bundespräsident nicht polarisieren.
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