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Bundesparteitag der extrem RechtenAfD unerwünscht in Riesa

Die Partei veranstaltet am Wochenende in der sächsischen Kleinstadt ihren Bundesparteitag. Das Bündnis „AfD adé“ ruft zum Protest ab Donnerstag auf.

Vor dem Bundesparteitag der AfD in der Sachsenarena Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Riesa taz | Manuel Matzke und Erik Richter stehen auf einem großen Parkplatz vor der Sachsenarena in Riesa, hinter ihnen dringt die Abendsonne durch die Wolkendecke. Es ist warm, der Parkplatz fast leer, der Asphalt rissig. Matzke und Richter, 35 und 27 Jahre alt, beide Mitglieder in der Linkspartei, haben diesen Ort für das Gespräch mit der taz nicht grundlos ausgesucht. In der Arena trifft sich am Wochenende die AfD zum Bundesparteitag, und auf dem Parkplatz, auf dem an diesem Juniabend nur wenige Autos parken, soll am Samstag die größte Gegendemo stattfinden, die es in der 30.000-Einwohner:innenstadt je gegeben hat.

Matzke und Richter vom Riesaer Bündnis “AfD adé“ organisieren die Demo sowie viele weitere Protestaktionen. „Wir wollen zeigen, dass eine ostdeutsche Kleinstadt wie Riesa kein ruhiges Hinterland für die AfD ist – und dass wir nicht einfach zusehen, wenn hier der rote Teppich für die Fa­schis­t:in­nen ausgerollt wird“, sagt Richter, der in Riesa aufgewachsen ist und das ewige Sachsen-Bashing satt hat. Sachsen sei zwar „in vielen Institutionen braun“, doch längst nicht überall. „Daher müssen wir ein Signal setzen, dass es noch Hoffnung gibt und viele Menschen, die gegen Rechtsextremismus und Rassismus ankämpfen.“

Richter – blondes Haar, schwarzes T-Shirt, Sneaker und eine Sonnenbrille auf dem Kopf – arbeitet als Disponent in einer Speditionsfirma und war bis April Vorsitzender der Linken im Kreis Meißen. Im November 2018 hat er „AfD adé“ mitbegründet, kurz nachdem die AfD bekannt gab, ihren Europaparteitag in seiner Heimatstadt abzuhalten.

Das Bündnis ist „ein Zusammenschluss von An­ti­fa­schis­t:in­nen aus der Region“, erklärt der 27 Jahre alte Riesaer. Es gebe weder Statuten noch ein Mitgliedsbuch, daher könne er keine Mitgliederzahlen nennen. An den Planungen für die Protestaktionen seien momentan aber um die 35 Personen beteiligt, sagt Richter, darunter auch Menschen aus Dresden, Leipzig und Berlin.

Möglichst unfreundlicher Empfang

Schon während des AfD-Europarteitages im Januar 2019 hat das Bündnis eine Gegendemo auf dem Parkplatz vor der Sachsenarena in Riesa veranstaltet, 1.500 Menschen nahmen teil. Dieses Jahr träumt Richter von 5.000 Teilnehmer:innen. „Die Mobilisierung ist noch viel größer als 2019“, sagt er. Nicht nur Bündnisse wie „Aufstehen gegen Rassismus“ oder die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ (VVN-BdA) unterstützten „Afd adé“, sondern auch Gewerkschaften wie ver.di oder der DGB. Dadurch würden viel mehr Menschen erreicht.

Nach dem Europaparteitag der AfD 2019 ist es ruhig um das Riesaer Bündnis geworden. Erst im April 2022, als die AfD bekannt gab, ihren Bundesparteitag nicht wie einst geplant in Wiesbaden, sondern in Riesa abzuhalten, habe Richter die alte Gruppe wieder zusammengetrommelt. „Es klingt vielleicht doof“, sagt er, „aber als ich gelesen habe, dass die AfD noch mal nach Riesa kommt, habe ich mich gefreut.“ Deswegen, weil es 2019 „so schön war“, als Team etwas zu bewegen. Seit Mai trifft sich die Gruppe einmal pro Woche für zwei bis drei Stunden, um die Proteste zu planen.

Die ersten Kundgebungen finden bereits am Donnerstagabend statt – vor den Hotels Mercure und Wettiner Hof, wo laut „AfD adé“ ein Großteil der Delegierten der AfD übernachten wird. „Mit einem unfreundlichen Empfang wollen wir ein erstes Zeichen setzen“, sagt Manuel Matzke, ebenfalls in Riesa groß geworden und bei „AfD adé“ aktiv. Er arbeitet für den sächsischen Landesverband der Linken und ist Sprecher der Gefangenengewerkschaft GG/BO.

Am Freitag um 17 Uhr ist eine Demonstration auf dem Mannheimer Platz geplant, am Samstag findet die große Demo statt, zu der Richter zufolge „Menschen aus ganz Deutschland“ anreisen werden. Aus Wiesbaden zum Beispiel, wo der AfD-Parteitag einst stattfinden sollte, fahre das Bündnis „Wiesbaden gegen Rechts“ Samstagmorgen um vier Uhr mit einem Reisebus los, erzählt Richter.

Setzt sich der Flügel durch?

Die Demo am Samstag beginnt um halb zehn am Bahnhof in Riesa mit ersten Redebeiträgen. Um elf Uhr soll sich der Demozug in Richtung Sachsenarena bewegen, sodass die Hauptkundgebung pünktlich zur Mittagspause der AfD auf dem Parkplatz starten kann. Danach geht es durch die Innenstadt zum Rathaus, wo eine weitere Kundgebung geplant ist. Die Demo endet am späten Nachmittag am Bahnhof. Auf der Demo am Samstag werden unter anderem die Bundesvorsitzende des VVN-BdA, Cornelia Kerth, sprechen, Gabi Engelhardt von „Aufstehen gegen Rassismus“, die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger sowie der Vorsitzende des DGB Sachsen, Markus Schlimbach.

Matzke und Richter befürchten, dass sich der völkisch-nationalistische Flügel der AfD um den Thüringer Rechtsextremen Björn Höcke bei den parteiinternen Wahlen in Riesa durchsetzen werde. Die AfD wählt am Wochenende eine neue Parteispitze, außerdem soll darüber debattiert werden, ob es künftig bei zwei Vorsitzenden bleiben oder auch eine Einzelspitze möglich sein soll. „Mit jeder Vorstandswahl rückt die AfD immer weiter nach rechts“, sagt Matzke. „Der Flügel um Höcke wird immer größer.“

Umso mehr hätten sich Matzke und Richter vom Riesaer Oberbürgermeister Marco Müller (CDU) gewünscht, dass er sich deutlich gegen die AfD positioniert und den Parteitag in Riesa verhindert. „Doch der Bürgermeister ist in der CDU, die CDU ist auf Kuschelkurs mit der AfD, und ohne die AfD hätte die CDU im Stadtrat auch nicht ihre Mehrheiten“, sagt Richter.

Die Stadt Riesa teilt auf Anfrage mit, dass die AfD eine zugelassene Partei und im Bundestag vertreten sei. Der Riesaer Stadtrat habe sich vor einigen Jahren mit den Stimmen aller Fraktionen „im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Räumen für politische Aktivitäten ganz bewusst dafür ausgesprochen, dass Verbote kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein können“. Auf die Frage, ob der Oberbürgermeister die Protestaktionen von „AfD adé“ unterstützt, heißt es: „Der Oberbürgermeister wahrt hier das Prinzip der politischen Neutralität der Verwaltung. Die Riesaer Bürgergesellschaft wird aber in großer Breite und Vielfalt innerhalb der Proteste vertreten sein.“

Bei der Bundestagswahl 2021 wurde die AfD in Riesa mit 29 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, bei der Stadtratswahl 2019 hat die Riesaer AfD knapp 23 Prozent der Stimmen bekommen und landete damit knapp hinter der CDU. Die CDU hat acht Sitze im Stadtrat, die AfD sieben, die NPD einen – Linke und SPD kommen zusammen auf sieben Sitze. Richter zufolge habe die AfD inzwischen eine so große Macht in Riesa, dass manche lokale Organisationen und Initiativen sich nicht trauten, Protestaktionen wie die von „AfD adé“ offiziell zu unterstützen – aus Angst, künftig weniger Fördergelder von der Stadt zu bekommen.

Nach dem Bundesparteitag wird sich das Bündnis „AfD adé“ vermutlich erst einmal wieder zurückziehen, so wie nach dem AfD-Europaparteitag 2019. „Wir sind ja alle noch in anderen Organisationen aktiv“, sagt Richter. Doch spätestens, wenn die AfD noch mal für einen Parteitag nach Riesa kommen sollte, wird das Team um Richter und Matzke wieder zum Gegenprotest aufrufen und der AfD zeigen, dass sie in Riesa nicht willkommen ist.

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2 Kommentare

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  • Einen möglichst unfreundlichen Empfang halte ich für kontraproduktiv.



    Diese verwirrten Geister sollten mit Mitleid und Spott empfangen werden, anstatt ihr krankes Weltbild durch Hass zu bestätigen.

  • Ich lese zuletzt häufig in der taz aber auch in anderen Medien von der AfD als extrem rechter Partei und nicht mehr von rechtsextremer Partei. Warum liegt das bitte?