Bundesliga spielt am Wochenende: Nach der Zäsur ist vor dem Spiel
Nach der Länderspielabsage in Hannover wollen die Bundesligavereine am Wochenende unbedingt spielen. Aber die Sicherheitsmaßnahmen steigen.
Das Vormittagstraining von Hannover 96 wurde am Mittwochmorgen gestrichen. „Schon aus logistischen Gründen“, wie es von Vereinsseite aus hieß. Kein Bundesligaverein will gerade auch nach diesem Dienstagabend den Eindruck erwecken, dass man sich von möglichen Terroranschlägen schrecken lassen würde.
Nachdem das Freundschaftspartie zwischen Deutschland und den Niederlanden am Dienstagabend wegen einer Terrorwarnung abgesagt wurde, sind die Bundesligavereine bestrebt, den nationalen Fußballalltag aufrechtzuerhalten. Sie halten an ihren Fahrplänen fest. Etliche Klubs hatten diese Nachricht bereits am Mittwochmorgen verbreitet. Der Dachverband, die Deutsche Fußball-Liga, folgte leicht verspätet am Mittag mit der Erklärung, der Spieltag werde wie geplant stattfinden.
Allerdings wird die Absage von Hannover durchaus als historische Zäsur im deutschen Fußball wahrgenommen, zumal das Länderspiel nach den Terroranschlägen von Paris, bei denen 132 Menschen starben, intensiv als Zeichen gegen den Terror beworben wurde. „Mein Eindruck ist, dass der Fußball in Deutschland mit dem heutigen Tage in allen Facetten eine andere Wendung genommen hat“, resümierte DFB-Interimschef Reinhard Rauball. Und Hannover-96-Präsident Martin Kind erklärte: „Das wird den Fußball verändern und stellt uns vor eine neue Herausforderung.“
Was sich genau verändern wird, ist derzeit natürlich nicht abzusehen. Für das Wochenende kündigten bereits mehrere Vereine verschärften Sicherheitsmaßnahmen an. Der Hamburger SV, der bereits am Freitagabend Borussia Dortmund empfängt, wird die Anzahl seiner Ordner erhöhen.
Auch der 1. FC Köln möchte mit dieser Maßnahme reagieren. Beim FC Schalke dagegen, der den FC Bayern empfängt, erklärte man: „Es gelten die normalen Sicherheitsmaßnahmen.“ Es gebe bislang keine Hinweise, die für ein veränderte Konzept sprechen würden. Auch der Polizeisprecher von Gelsenkirchen, Olaf Brauweiler, teilte mit, die Zahl der Beamten werde nicht verstärkt. Über Details sicherheitspolitischer Maßnahmen wird bei den Klubs sowieso Stillschweigen gewahrt, um deren Effizienz nicht zu mindern.
Abgesehen von der Gewährleistung des Spielbetriebs am Wochenende wird aber in den nächsten Monaten Grundsätzlicheres debattiert werden. Dirk Mesch, der Vereinssprecher von Bayer Leverkusen, etwa warb für ein gemeinsames Vorgehen. Man müsse mit den anderen beteiligten Klubs und mit der Deutschen Fußball-Liga reden. Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler hatte sich bereits für erhöhte Sicherheitsstandards in der Bundesliga ausgesprochen und für personalisierte Eintrittskarten geworben. Ein System, das in Italien bereits im Jahre 2005 eingeführt wurde. Was Völler jedoch nicht erwähnte: Das Problem mit der massiven Fangewalt wurde auf diese Weise auch nicht gelöst.
Sicherheitsdiskussionen werden im Fußball ja bereits schon lange geführt. Bislang ging es dabei auch in Deutschland vornehmlich um die Vermeidung von Ausschreitungen und Pyrotechnik, um das schlechte Verhältnis insbesondere zwischen Ultra-Anhängern und der Polizei. Fanvertreter machten mobil gegen die aus ihrer Sicht immer repressivere Law-and-Order-Politik der Vereine und des Staates. Die Debatte wird nach den Anschlägen von Paris eine andere Dimension bekommen.
Der frühere DFB-Sicherheitschef Helmut Spahn hat indes vor überzogenen Reaktionen gewarnt. Prinzipiell sei es nichts Neues, sagte er, dass Sportveranstaltungen auch ein Ziel für Terroristen seien. Und er riet: „Wir müssen sensibel mit der Bedrohung umgehen, aber – so schwer es fällt – auch eine gewisse Gelassenheit und Ruhe bewahren.“
Wie das bereits im Vorfeld des geplanten Spiels zwischen Deutschland und den Niederlanden geschehen war, betonte der Hamburger SV auf seiner Website den gesellschaftlichen Auftrag des Fußballs: „Gerade jetzt in diesen schweren Zeiten werden wir ungebrochen unserer Bestimmung folgen. Mit jedem neuen Spiel bringen wir Tausende von Menschen zusammen. … Das ist unser Beitrag für eine friedliche Welt.“ Entscheiden werden das aber wie in Hannover die Sicherheitsbehörden.
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