Bundeskanzlerin bei Feier zum 3. Oktober: Merkels vielleicht letzter Moment
Zur Feier des Tages der Deutschen Einheit hielt die Bundeskanzlerin in Halle eine persönlich gehaltene, überraschend emotionale Rede.
Für diesen Moment hat Angela Merkel eine sehr persönliche, aber auch sorgenvolle Rede vorbereitet. Zunächst würdigte sie den Einsatz jener DDR-Bürger*innen, die gegen die SED-Diktatur aufbegehrten und bei der friedlichen Revolution 1989/1990 demonstrierten. Wer sich damals für demokratische Rechte einsetzte, sagte Merkel 2021 in Halle, konnte sich nicht sicher sein, dass es sich lohnen würde. „Das ist wahrhaftiger Mut.“ Die Wiedervereinigung sei nicht einfach über uns hereingebrochen, nein, sie musste errungen werden.
Mit dieser demokratischen Errungenschaft gingen die Deutschen heute, 31 Jahre nach der Wiedervereinigung, leider „etwas zu leichtfertig um“, so die Kanzlerin. Dann wies sie auf Angriffe gegen die Pressefreiheit und gegen Menschen hin, die sich für das Gemeinwohl einsetzen: Rettungssanitäter*innen, Feuerwehrleute, Kommunalpolitiker*innen. „Die verbale Verrohung und Radikalisierung, die da zu erleben sind, dürfen nicht nur von denen beantwortet werden, die ihr zum Opfer fallen“, sagte sie. Stattdessen müssten solche Angriffe von allen Bürger*innen zurückgewiesen werden. „Denn allzu schnell münden verbale Attacken in Gewalt.“
Dann nannte Merkel die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, die Anschläge von Halle, dem diesjährigen Ort der Einheitsfeier, und dem hessischen Hanau sowie die Ermordung des 20 Jahre alten Tankstellenkassierers in Idar-Oberstein, der von einem Mann erschossen wurde, nachdem er ihn auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Merkel betonte, dass die Demokratie „jeden Tag“ aufs Neue beschützt werden müsse. Es stehe nicht weniger als der gesellschaftliche Zusammenhalt auf dem Prüfstand.
Biografischer Ballast
Mit sehr persönlichen Beispielen wies die Bundeskanzlerin wiederholt auch auf anhaltende Missverständnisse in der gegenseitigen Wahrnehmung von Ost und West hin. Noch heute müssten sich etwa Ostdeutsche ihrer Generation für ein Leben in der DDR als biografischer „Ballast“ rechtfertigen. Die Gestaltung der Einheit des Landes sei kein abgeschlossener Prozess. Die Zukunft müsse gemeinsam geformt werden. Dafür sei Respekt vor den jeweiligen Erfahrungen und Biografien, aber auch vor der Demokratie nötig.
Zuvor hatte der amtierende Bundesratspräsident und sachsen-anhaltische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) daran erinnert, dass die friedliche Revolution von 1989 ein radikaler Systemwandel ohne Blutvergießen gewesen sei. „Die friedliche Revolution taugt durchaus zum Gründungsmythos des vereinigten Deutschlands“, sagte er. Vor der Feierstunde wurde ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert. (mit dpa)
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