Bundeskanzlerin Merkel in Afghanistan: Taliban drohen der Bundeswehr
Merkels erster Gang im Feldlager Kundus führt sie zum Ehrenhain, wo sie der Gefallenen des Einsatzes gedenkt. Der Dienst berge „große, große Risiken“, sagt die Kanzlerin.
KUNDUS dpa | Knapp eine Woche nach dem Tod eines deutschen Elite-Soldaten in Afghanistan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Truppenbesuch den Gefallenen ihren Respekt gezollt. Bei einer Andacht und einem Gebet am Ehrenhain im Bundeswehr-Feldlager im nordafghanischen Kundus gedachte sie am Freitag der Toten des Einsatzes.
Vor den Soldaten sagte sie: „Da ist mir natürlich wieder auch bewusstgeworden, dass Sie Ihren Dienst tun nicht einfach aus Pflichterfüllung, sondern auch unter großen, großen Risiken.“
Vor dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes 2014 mahnte Merkel weitere Reformen in Afghanistan an. „Wir werden ein Auge darauf haben, dass der politische Prozess hier vorangeht“, sagte sie in Kundus. Als anstehende Aufgaben nannte die Kanzlerin die Vorbereitung der Präsidentschaftswahl im April 2014 und den Aufbau der Wirtschaft.
„All das vollzieht sich zum Teil mühselig, zum Teil etwas langsamer als wir uns das wünschen“, sagte Merkel. „Aber es ist unabdingbar dafür, dass der militärische Einsatz nicht alleine stehenbleibt, sondern dass er wirklich Erfolg hat.“
Zum fortschreitenden Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan sagte Merkel: „Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Dienst in der verbleibenden Zeit genauso gefährlich ist, genauso aufmerksam durchgeführt werden muss, wie das in all den Jahren zuvor war.“
Bis zum Auslaufen des Nato-Kampfeinsatzes Ende 2014 übernehmen die afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) schrittweise mehr Verantwortung. Zu deren Ausbildung sagte Merkel: „Ich glaube, dass es da viele Fortschritte gibt, dass es aber durchaus auch eine ganze Reihe von Fragen gibt, über die man nicht hinwegsehen kann.“
Die Nato will die ANSF auch nach 2014 in einer Folgemission ausbilden, beraten und unterstützen. Merkel bekräftigte den Willen der Bundesregierung, sich ab 2015 weiter militärisch in Afghanistan zu engagieren. Sie ermunterte andere Länder, das auch zu tun.
Am vergangenen Samstag war in der an Kundus angrenzenden Provinz Baghlan ein Elite-Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) getötet worden. Es war das erste Mal, dass ein KSK-Soldat in Afghanistan fiel. Der Hauptfeldwebel geriet bei einer gemeinsamen Operation mit afghanischen Kräften in einen Hinterhalt der Taliban.
Merkels Reise war schon vor dem Todesfall geplant, hat dadurch aber zusätzliche Bedeutung erlangt. Der 32-Jährige war der erste Bundeswehrsoldat seit fast zwei Jahren, der in Afghanistan getötet wurde.
Ausbildung und Beratung
Die Bundesregierung hatte nach dem Tod des KSK-Soldaten erklärt, unverändert an ihrer Afghanistan-Strategie festhalten zu wollen. Dazu gehört das Angebot, auch nach 2014 bis zu 800 Soldaten für Ausbildung und Beratung der afghanischen Armee zur Verfügung zu stellen.
Deutschland hat damit als erstes Nato-Land einen konkreten Vorschlag für eine längerfristige Präsenz am Hindukusch gemacht. Die Taliban drohten der Bundeswehr daraufhin mit gezielten Angriffen.
Merkel war am Freitagmorgen in Begleitung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière in Masar-i-Scharif gelandet, wo die Bundeswehr ihren größten Standort in Afghanistan unterhält. Von dort aus flog die Delegation mit Merkel per Hubschrauber nach Kundus. Vor wenigen Tagen waren zwei Bundeswehr-Hubschrauber in Afghanistan von Aufständischen beschossen worden. Niemand kam zu Schaden.
Der fünfte Besuch
Es ist Merkels fünfter Afghanistan-Besuch seit 2007. Erstmals flog die Kanzlerin direkt mit einem Regierungs-Airbus von Berlin nach Masar-i-Scharif. Bei den vorangegangenen Reisen musste sie aus Sicherheitsgründen im usbekischen Termes in eine Militärmaschine mit Raketenabwehrsystem umsteigen.
In Kundus wollte Merkel auch mit KSK-Soldaten zusammenkommen. Die Bundeswehr will das Feldlager in Kundus im Herbst an die Afghanen übergeben und den verlustreichen Einsatz in der Unruheprovinz dann nach knapp zehn Jahren beenden.
Derzeit sind noch rund 4.300 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert. Der Einsatz kostete bislang 53 deutsche Soldaten das Leben. 35 davon starben bei Angriffen und Anschlägen. Merkel hatte die deutschen Soldaten in Afghanistan zuletzt im März 2012 besucht.
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