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Bundeskanzlerin Merkel in AfghanistanTaliban drohen der Bundeswehr

Merkels erster Gang im Feldlager Kundus führt sie zum Ehrenhain, wo sie der Gefallenen des Einsatzes gedenkt. Der Dienst berge „große, große Risiken“, sagt die Kanzlerin.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Verteidigungsminister Thomas de Maizière (l.) besuchen deutsche Soldaten im Feldlager bei Kundus. Bild: dpa

KUNDUS dpa | Knapp eine Woche nach dem Tod eines deutschen Elite-Soldaten in Afghanistan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Truppenbesuch den Gefallenen ihren Respekt gezollt. Bei einer Andacht und einem Gebet am Ehrenhain im Bundeswehr-Feldlager im nordafghanischen Kundus gedachte sie am Freitag der Toten des Einsatzes.

Vor den Soldaten sagte sie: „Da ist mir natürlich wieder auch bewusstgeworden, dass Sie Ihren Dienst tun nicht einfach aus Pflichterfüllung, sondern auch unter großen, großen Risiken.“

Vor dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes 2014 mahnte Merkel weitere Reformen in Afghanistan an. „Wir werden ein Auge darauf haben, dass der politische Prozess hier vorangeht“, sagte sie in Kundus. Als anstehende Aufgaben nannte die Kanzlerin die Vorbereitung der Präsidentschaftswahl im April 2014 und den Aufbau der Wirtschaft.

„All das vollzieht sich zum Teil mühselig, zum Teil etwas langsamer als wir uns das wünschen“, sagte Merkel. „Aber es ist unabdingbar dafür, dass der militärische Einsatz nicht alleine stehenbleibt, sondern dass er wirklich Erfolg hat.“

Zum fortschreitenden Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan sagte Merkel: „Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Dienst in der verbleibenden Zeit genauso gefährlich ist, genauso aufmerksam durchgeführt werden muss, wie das in all den Jahren zuvor war.“

Bis zum Auslaufen des Nato-Kampfeinsatzes Ende 2014 übernehmen die afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) schrittweise mehr Verantwortung. Zu deren Ausbildung sagte Merkel: „Ich glaube, dass es da viele Fortschritte gibt, dass es aber durchaus auch eine ganze Reihe von Fragen gibt, über die man nicht hinwegsehen kann.“

Die Nato will die ANSF auch nach 2014 in einer Folgemission ausbilden, beraten und unterstützen. Merkel bekräftigte den Willen der Bundesregierung, sich ab 2015 weiter militärisch in Afghanistan zu engagieren. Sie ermunterte andere Länder, das auch zu tun.

Am vergangenen Samstag war in der an Kundus angrenzenden Provinz Baghlan ein Elite-Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) getötet worden. Es war das erste Mal, dass ein KSK-Soldat in Afghanistan fiel. Der Hauptfeldwebel geriet bei einer gemeinsamen Operation mit afghanischen Kräften in einen Hinterhalt der Taliban.

Merkels Reise war schon vor dem Todesfall geplant, hat dadurch aber zusätzliche Bedeutung erlangt. Der 32-Jährige war der erste Bundeswehrsoldat seit fast zwei Jahren, der in Afghanistan getötet wurde.

Ausbildung und Beratung

Die Bundesregierung hatte nach dem Tod des KSK-Soldaten erklärt, unverändert an ihrer Afghanistan-Strategie festhalten zu wollen. Dazu gehört das Angebot, auch nach 2014 bis zu 800 Soldaten für Ausbildung und Beratung der afghanischen Armee zur Verfügung zu stellen.

Deutschland hat damit als erstes Nato-Land einen konkreten Vorschlag für eine längerfristige Präsenz am Hindukusch gemacht. Die Taliban drohten der Bundeswehr daraufhin mit gezielten Angriffen.

Merkel war am Freitagmorgen in Begleitung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière in Masar-i-Scharif gelandet, wo die Bundeswehr ihren größten Standort in Afghanistan unterhält. Von dort aus flog die Delegation mit Merkel per Hubschrauber nach Kundus. Vor wenigen Tagen waren zwei Bundeswehr-Hubschrauber in Afghanistan von Aufständischen beschossen worden. Niemand kam zu Schaden.

Der fünfte Besuch

Es ist Merkels fünfter Afghanistan-Besuch seit 2007. Erstmals flog die Kanzlerin direkt mit einem Regierungs-Airbus von Berlin nach Masar-i-Scharif. Bei den vorangegangenen Reisen musste sie aus Sicherheitsgründen im usbekischen Termes in eine Militärmaschine mit Raketenabwehrsystem umsteigen.

In Kundus wollte Merkel auch mit KSK-Soldaten zusammenkommen. Die Bundeswehr will das Feldlager in Kundus im Herbst an die Afghanen übergeben und den verlustreichen Einsatz in der Unruheprovinz dann nach knapp zehn Jahren beenden.

Derzeit sind noch rund 4.300 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert. Der Einsatz kostete bislang 53 deutsche Soldaten das Leben. 35 davon starben bei Angriffen und Anschlägen. Merkel hatte die deutschen Soldaten in Afghanistan zuletzt im März 2012 besucht.

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9 Kommentare

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  • I
    Irmi

    Diese Kriege sind doch nur aus wirtschaftlichen Gründen unterstützt worden. Kein Staat tut etwas ohne dafür etwas zu bekommen.

     

    Was Afghanistan betrifft sind es Lithium, Eisen, Kupfer, Kobalt und Gold im Wert von 1 Billion Dollar, das verarmte Land so heißt es könnte zu einem der weltgrößten Bergbauzentren aufsteigen.

  • KS
    Kritische Stimme

    Die Prozesse von Nuernberg nach dem 2. Weltkrieg haben gezeigt das wenn man mit einem Krieg mitmacht,ist man schuldig an Allem was da schiefgeht.So ist es auch in Afganistan,wo nicht die Soldaten schuldig sind sondern die Entscheidungstraeger+Spitzenpolitiker die zur Teilnahme an diesem schmutzigen Krieg beschlossen haben.Diese Personen sollten vor einen internationalen Gerichtshof angeklagt werden.Anklage lautet Menschenrechtsverletzungen in grossem Ausmass,Mord,gezielte Toetungen,Folterungen,das Toeten+Verwunden von vielen Menschen,Beschaedigung von Infrastruktur und Vertreibung von hunderttausenden Fluechtlingen.Ursache ist die NATO wodurch die EU-Laender gezwungen waren zur Teilnahme,deshalb soll die NATO schnellstens ersetzt werden von einer europaeischen Organisation,dann koennen Europaer selbst entscheiden.Es ist moralisch unvermeidlich dass Europa Afganistan noch viele Jahre viele Miljarden Wiedergutmachung zahlen muss fuer das angerichtete Leid und den angerichteten Schaden

  • SG
    Schmidt Georg

    auf jeden Fall mla wichtig-die Opiumernte zu sichern!

  • K
    Klaus

    Liebe taz, könntet Ihr bitte versuchen Euren Sprachgebrauch wieder politisch korrekt zu pflegen.

    Menschen - ob Soldaten oder nicht - werden im Krieg getötet. Sie sterben. Dann sind sie tot. Da braucht es keine Euphemismen. Die Rede von den Gefallenen ist nach wie vor ein Teil der Schönrederei und Verschleierung unnützer Kriegshandlungen.

  • C
    Celsus

    Deutschland will ja aus Afghanistan abziehen. Welche ehrenwerten Ziele sind denn angestrebt, realistisch geplant und dann auch noch erreicht worden? GErade bei dem geplanten Abzug stellen sich diese Fragen. Zu kritisch dürfen die Fragen aber wohl nicht sein.

     

    Und mir war schon klar, dass die Bundeswehr bis Septemer 2013 für deutsche Spitzenpolitiker_innen besuchbar bleiben würde. Für eine Wiederwahl machte es sich schon immer gut, die kriegsführende Regierung zu stellen.

  • M
    Myopie

    Ultimo! Das Land ist ein Fass ohne Boden – da die "Sicherheit" (lol) schaffen sollenden Besatzungstruppen in all den Jahren noch nicht mal die Opiumproduktion unterbinden konnten: Abzug aller Nato-Truppenkontingente.

    Oder anders formuliert: Die autochthonen Bevölkerung hat das Recht, sich ad libitum gegenseitig umzubringen; Zudem wäre es für die Weltgemeinschaft preiswerter, allen Einheimischen, die an derlei nicht teilnehmen wollen, im vereinfachten Verfahren Asyl (auf Wunsch Einbürgerung) in einem von ihnen gewünschten Nato-Mitgliedsland zu gewähren.

  • SG
    Schmidt Georg

    die, diese Fiasko unterzettelt haben, sind nicht mehr greifbar-das Dilemma- 1500 AFG Mitarbeiter-was macht man mit ihnen, da lassen kann man sie nicht, mitnehmen will man sie nicht, wobei es intressant ist, dass auch die Frauen dieser Mitarbeiter komplett verschleiert sind, wenn man den Bilder glauben darf, also man hätte im Ernstfall fast 10.000 Menschen in D aufzunehmen, da ist eine weitere Stationierung von BW lern billiger !

  • W
    Wüstenratte

    Die größte, größte Gefahr liegt in der Nöhe zu Muddi! Auf Großkopferten schießt man zuerst. Die Frage ist doch: Was machen deutsche Soldaten überhaupt dort?? Sollen sich die Afghanen die Turbane alleine einhauen, je mehr dabei abtreten, umso weniger können hier um Wirtschaftsasyl betteln!

  • EG
    Elsa Guilotine

    Überschrift: Kriegsverbrecherin ehrt Kriegsverbrecher!

    Wenn die schon mal da ist, könnte sie sich ja direkt der örtlichen Justiz stellen und sich für den Massenmord von Kundus verantworten.