Bundeskanzler im Europaparlament: Scholz wirft Putin „Machtgehabe“ vor
In einer Rede im Europaparlament plädiert Kanzler Scholz am Europatag für eine erweiterte EU. Und er wirbt dafür, die Ukraine so lange wie nötig zu unterstützen.
Bundeskanzler Scholz betonte, dass das von der EU-Kommission vorgeschlagene neue Sanktionspaket gegen Russland „nicht das letzte“ sein wird. „Wir sind immer bereit, über Sanktionsregime zu diskutieren“, sagt er im Europäischen Parlament in Straßburg. Zu den erstmals im Kommissionsvorschlag genannten möglichen Sanktionen gegen chinesische Firmen, die militärisch nutzbare Güter nach Russland liefern, sagte er nichts.
Scholz hat die traditionelle Militärparade in Moskau zum 9. Mai als „Machtgehabe“ kritisiert. „Lassen wir uns nicht einschüchtern von solchem Machtgehabe“, sagt der Kanzler im Europäischen Parlament in Straßburg. 2.200 Kilometer nordöstlich von Straßburg lasse Putin seine Soldaten, Panzer und Raketen aufmarschieren. „Bleiben wir standhaft in unserer Unterstützung der Ukraine – so lange, wie das nötig ist“, betont der Kanzler. „Die Ukrainerinnen und Ukrainer zahlen mit ihrem Leben für diesen Wahn ihres mächtigen Nachbarstaates.“
Scholz wirbt für Ausbau des Freihandelsabkommens
Bundeskanzler Scholz hat bei seinem Besuch im Straßburger Europaparlament dafür geworben, dass die EU zügig weitere Freihandelsabkommen mit verschiedenen Staaten abschließt. Dies wäre „mehr als vernünftig“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in seiner Rede. Als Beispiele nannte er die südamerikanischen Mercosur-Staaten, Mexiko, Indien, Indonesien, Australien und Kenia. Perspektivisch gebe es auch noch viele andere Länder.
Scholz betonte zudem, die Abkommen sollten die wirtschaftliche Entwicklung der Handelspartner fördern, nicht behindern. Das bedeute etwa, dass die Verarbeitung von Rohstoffen vor Ort und nicht etwa in China oder anderswo beginnen sollte.
In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Probleme mit dem Abschluss von Freihandelsabkommen gegeben. Die EU verhandelt beispielsweise seit 1999 mit Argentinien, Paraguay, Uruguay und Brasilien, die zu Mercosur gehören. Damit würde eine der größten Freihandelszonen der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen entstehen.
Das Abkommen mit Brasilien zum Beispiel liegt allerdings wegen der Blockadehaltung von Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro beim Klimaschutz auf Eis.
Scholz mahnte: „Wenn wir noch jahrelang ergebnislos weiterverhandeln über neue Freihandelsabkommen, dann diktieren künftig andere die Regeln – mit niedrigeren Umwelt- und Sozialstandards.“ Umweltschützer und Menschenrechtler warnen indes aber vor Ausbeutung und Umweltzerstörung durch das Abkommen.
Scholz wirbt für Einigung bei Flüchtlingsgipfel
Vor dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern hat Bundeskanzler Scholz für eine Einigung geworben. In Deutschland seien die Länder für viele gesamtstaatlich wichtige Aufgaben „ausführend verantwortlich“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag bei einem Besuch in Straßburg. „Deshalb ist es wichtig, dass wir uns verständigen.“ Scholz sprach von einer „großen gemeinsamen Aufgabe in einem erfolgreichen föderalen Staat“. Dafür müssten Bund, Länder und Gemeinden eng zusammenarbeiten.
Er hoffe zudem, dass die Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik noch in dieser Legislaturperiode des Europäischen Parlaments gelinge – das hieße bis Frühjahr 2024. Dazu gehöre ein wirksamer Grenzschutz an den europäischen Außengrenzen genauso wie ein gemeinsamer Umgang mit Flüchtlingen.
Bürger*innen sollten grünen Wandel im Alltag spüren
Bürgerinnen und Bürger sollten die Chancen des Wandels aus Sicht von Scholz hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft im Alltag stärker spüren. Als Beispiele nannte der SPD-Politiker am Dienstag in einer Rede im Straßburger Europaparlament, dass Strom aus erneuerbaren Energien in Zukunft günstiger werde, weil in ganz Europa genug Ladestationen für E-Autos gebe und Arbeitsplätze etwa in der Chip-Industrie entstünden.
„Diesen Wandel ambitioniert zu gestalten und dabei gleichzeitig niemanden zurückzulassen – das ist das große Zukunftsprojekt, hinter dem wir Europäerinnen und Europäer uns jetzt versammeln sollten“, sagte der Kanzler.
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