Bundeskanzler Scholz in Rumänien: Ein Blick hinter die Karpaten
Rumänien empfängt den deutschen Bundeskanzler. Das Land will kein Partner zweiter Klasse sein – weder in der EU noch in der Nato.
Der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis, seit 2014 im Amt, betont, dass man „in Nato und EU gemeinsame strategische Interessen“ verfolge. Deutschland sei der wichtigste Handelspartner und der zweitgrößte Investor in Rumänien, so Iohannis. Und er bedankt sich freundlich für Scholz' Besuch.
Zuletzt war Angela Merkel 2010 in Bukarest. Rumänien liegt etwas im Windschatten des öffentlichen und regierungsamtlichen Interesses in Deutschland. Es gibt keinen Dauerstreit wie mit Polen, keinen Autokraten wie in Ungarn. Das deutsch-rumänische Verhältnis läuft störungs- und geräuscharm.
Folgt man Scholz und Iohannis, gilt das auch für die EU. Man ist gemeinsam für die Aufnahme der Westbalkan-Staaten, der Ukraine und von Moldau. Allerdings ohne ein Datum zu nennen.
Unterstützung für Schengen-Beitritt
Nur das Nein der EU zur Aufnahme Rumäniens in den Schengen-Raum, verursacht durch das Veto aus Österreich, hat in Bukarest für Verbitterung gesorgt. Es gebe viel illegale Migration über Rumänien, etwa aus der Republik Moldau, hieß es aus Wien. Das stimmt so nicht, findet Rumänien.
Berlin unterstützt die rumänische Haltung. Deutschland hält die Aussichten für Rumänien für besser als für Bulgarien, das ebenfalls nicht zu Schengen gehört. Scholz bescheinigt beim Pressetermin an der Seite von Iohannis, dass Rumänien „alle Voraussetzungen für die Vollmitgliedschaft im Schengen-Raum erfüllt hat“.
So seien rechtsstaatliche Verfahren für Geflüchtete und Grenzsicherung gewährleistet. Zudem sei ja der rechtsstaatliche Kontrollmechanismus der EU, der Check in Sachen Rechtsstaat und Korruption, aus guten Gründen beendet worden.
Scholz hofft, dass „der Schengen-Beitritt dieses Jahr gelingt“, und verspricht, dass sich Berlin dafür in der EU einsetzen wird. Iohannis ist „optimistisch, dass der Beitritt dieses Jahr kommt“.
Ob man jetzt Teil des Schengen-Raums ist oder nicht, ist für die Rumänen eher symbolisch als materiell wichtig und mit keinen Reisebeschränkungen verbunden. Aber man fühlte sich als EU-Bürger zweiter Klasse behandelt. Zumal man den Antrag auf Schengen-Mitgliedschaft schon vor 12 Jahren stellte. Ein rumänischer Minister kündigte beleidigt an, Rumänen würden nun nicht mehr zum Skifahren nach Österreich fahren. Auch eine eher übersichtliche Drohung.
Aber das Schengen-Nein mobilisiert in dem EU- und Nato-Land Ängste. Was, wenn der Konflikt mit Russland doch noch eskaliert? Ist man dann auch ein Nato-Staat zweiter Klasse?
Rheinmetall baut Logistikzentrum
Der Krieg ist in Rumänien nah, die Grenze zur Ukraine lang. 3,8 Millionen Menschen, sagt Iohannis, seien aus der Ukraine nach Rumänien geflohen, 110.000 seien geblieben. Die Angst vor Russland ist präsent. Der rumänische Militäretat wurde auf 2,5 Prozent des BIP erhöht.
Scholz und Iohannis betonen mehrfach, wie einig man sich in der Verurteilung des russsischen Angriffskrieges sei – inklusive der Unterstützung der Republik Moldau, der man mit Gas- und Stromlieferungen aus der Abhängigkeit von Russland helfe.
Zwei Dutzend Kampfflugzeuge und Abfangjäger aus USA, Italien und Deutschland wurden in Rumänien stationiert, neue Basen gebaut. Und der Rüstungskonzern Rheinmetall wird an der rumänisch-ukrainischen Grenze ein Wartungs- und Logistikzentrum für Panzer, Haubitzen und Militärfahrzeuge bauen. Das ist zentral für die effektive Waffenhilfe des Westens für die Ukraine.
In Rumänien sieht man das mit Wohlwollen, redet aber nicht viel darüber. Man hat mal ein paar ukrainische Hubschrauber auf rumänischem Gebiet landen lassen, aber nur ausnahmsweise.
Iohannis kommentiert den Plan von Rheinmetall denn auch eher als ökonomisch gute Botschaft: Man sei immer froh über deutsche Investitionen. Auf den militärisch-logistischen Aspekt geht nur Scholz ein.
Bukarest will nah an Berlin, Brüssel und Washington sein – aber der Wunsch ist stark, bloß nicht direkt in den Krieg verwickelt zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit