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Bundeshaushalt 2014Der ausgeglichene Herr Schäuble

Erstmals seit 1969 präsentiert die Regierung einen ausgeglichenen Haushalt. Das sei nur wegen Kürzungen im Sozialen möglich, kritisiert die Opposition.

Ist ganz zufrieden mit dem Haushalt: Bundesfinanzminister Schäuble. Bild: reuters

BERLIN taz | Die Bundesregierung wehrt sich gegen den Vorwurf, ihren Haushalt nur durch einen Griff in die Sozialkassen ausgleichen zu können. Der Bund gebe nicht weniger, sondern mehr Geld für soziale Zwecke aus, sagte Finanzstaatssekretär Werner Gatzer am Freitag, als er die neuen Zahlen für den Bundeshalt 2014 und die Finanzplanung präsentierte. So steige der Anteil der Sozialausgaben an den gesamten Bundesausgaben von knapp 50 Prozent in diesem Jahr auf 52 Prozent 2018.

Nach einer Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro 2014 will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) 2015 mit dem Geld auskommen, das er einnimmt. Dass die Ausgaben die Einnahmen nicht mehr übersteigen, soll unter anderem ein geringerer Zuschuss des Bundeshaushaltes an den Gesundheitsfonds ermöglichen, aus dem sich die Krankenkassen finanzieren. 2014 fließen 3,5 Milliarden Euro weniger, nächstes Jahr 2,5 Milliarden.

Dass so Selbstständige und Beamte nicht belastet werden, war von der Opposition in dieser Woche erneut heftig kritisiert worden, als bekannt wurde, dass nicht nur in diesem, sondern auch im kommenden Jahr ein Milliardensegen aus dem Gesundheitsfonds Richtung Etat fließen soll. Gatzer entgegnete am Freitag, der Gesundheitsfonds verfüge über ein ausreichend dickes Polster. Weil eine Erhöhung der Sozialbeiträge deshalb nicht notwendig werde, belaste der geringere Zuschuss die Arbeitnehmer nicht.

Schäuble und Gatzer rühmen sich, 2015 „erstmals seit 1969“ einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden aufzustellen. Einnahmen und Ausgaben sollen bei jeweils knapp 300 Milliarden Euro liegen. Möglich macht dies die positive Wirtschaftsentwicklung seit 2010. Deutschland exportiert inzwischen soviel, dass andere Staaten sich beschweren. Die Arbeitslosigkeit hierzulande sinkt, die Steuereinnahmen steigen.

Sinkende Schuldenquote

Bis 2018 - soweit reicht die Planung - sollen zusätzliche Schulden nicht mehr notwendig sein. Einnahmen und Ausgaben steigen bis auf knapp 330 Milliarden Euro in 2018. Die Schuldenquote des Gesamtstaates sinkt von heute 78 Prozent auf etwa 75 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.

Voraussetzung: Die gute Entwicklung hält an. Nur darauf verlasse sich Schäuble, bemängelte der grüne Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler. „Strukturelle Erhöhungen von Einnahmen und Kürzung von Ausgaben vermeidet der Finanzminister völlig“. Beim möglichen Abbau von umweltschädlichen Subventionen passiere beispielsweise gar nichts, so Kindler.

Erstaunlich: Trotz der guten Lage steigen die in der Finanzplanung des Bundes ausgewiesenen Investitionen kaum. In diesem Jahr sollen sie 26 Milliarden Euro betragen, 2018 mit 27 Milliarden Euro nur wenig mehr. Diese Sparsamkeit bei Straßen, Schienen, Datenleitungen und Bildungseinrichtungen widerspricht den Empfehlungen beispielsweise des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Gegenwärtig gebe Deutschland jährlich etwa 75 Milliarden Euro zu wenig aus, um seine Substanz zu erhalten, sagt das DIW.

Um das zu finanzieren, müsste Schäuble eigentlich die Steuereinnahmen erhöhen oder bestimmte Ausgaben viel stärker zusammenstreichen, als er es tut. Die große Koalition hat sich jedoch darauf verständigt, in dieser Hinsicht nichts zu unternehmen.

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4 Kommentare

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  • AS
    A.A. Sand

    Ein ausgeglichener Haushalt kann eine Deflation einleiten. Ein wenig Buchhaltung und Kenntnis der volkswirtschaftlichen Saldenmechanik kommen zu anderen Einsichten: bei außenwirtschaftlichem Gleichgewicht, was normal sein sollte, gibt es in der Volkswirtschaft nur die beiden Sektoren Staat und Privatsektor (Haushalte, Unternehmen etc). Wenn der Staat spart (oder Überschüsse erzielt), dann sinken die Ersparnisse des Privatsektors um denselben Betrag, weil die Gesamtnachfrage sinkt; macht der Staat ein Defizit, dann steigen die Ersparnisse im Privatsektor. Um die Wirtschaft anzukurbeln muss der Staat also bei einer Rezession die die Ersparnisse des Privatsektors durch Steuern verringern und investieren, denn die Investitionslücke bei öffentlichen Investitionen beträgt über 100 Milliarden Euro: ein gutes Beschäftigungsprogramm fürwahr.

  • N
    Numismatika

    Ideen für eine neue Geldordnung gibt es zuhauf:

    http://www.monetative.de/, www.vollgeld.de, www.vollgeld.ch

  • G
    gast

    Wo sonst, als bei den Armen kann man noch streichen, da kennt unser Staat keine Grenze.

     

    Soll der deutsche Staat doch endlich mal die Reichen zur Kasse bitten, statt sie permanent zu schonen.

  • M
    Michael

    Leider hat der Herr eine Art Tunnelblick entwickelt, was die Finanzen der Bundesrepublik angeht. Scheinbar arbeiten die nicht Hand in Hand, sondern jeder für sich selbst. Und von Marktwirtschaft scheinen die nichts zu verstehen. Das machen selbst die Amerikaner besser, die sich ihre Schulden heute noch leisten können. Aber ich bin begrüße es trotzdem, lieber ein Staat mit weniger Schulden, als nen Pleitestaat wie Griechenland oder Spanien. Da muss man durch.