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Bundesanwaltschaft nimmt Jungnazis festTatvorwurf: Terror

Die Bundesanwaltschaft lässt fünf Mitglieder der „Letzten Verteidigungswelle“ festnehmen. Die Minderjährigen sollen Anschläge geplant haben.

Sie posieren vermummt und mit Deutschlandfahne: Neonazis der „Letzten Verteidigungswelle“ Foto: Screenshot

Berlin taz | Die jungen Neonazis posierten im Internet martialisch, zeigten sich vermummt, mit Pyrofackel und Deutschlandfahne. „Zu jeder Zeit Kampf bereit“, tönte ihre Gruppe, die „Letzte Verteidigungswelle“. Und tatsächlich folgten Straftaten: ein Brandanschlag auf ein Kulturhaus im Brandenburger Altdöbern, eine Attacke auf eine Geflüchtetenunterkunft im Thüringer Schmölln und ein versuchter Anschlag auf eine Unterkunft in Senftenberg.

Zuletzt dann schaltete sich die Bundesanwaltschaft in die Ermittlungen ein – und ließ nun am Mittwochmorgen fünf Mitglieder der „Letzten Verteidigungswelle“ festnehmen. Die Vorwürfe wiegen schwer: Die Behörde wirft ihnen die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Drei weitere Beschuldigte – Devin K. Claudio S., Justin W. – rechnet die Behörde ebenfalls der Gruppe zu, sie saßen bereits in Haft. Die meisten von ihnen sind noch minderjährig, zwischen 14 und 21 Jahre alt.

Die Festnahmen erfolgten in Rostock, Wismar, im Landkreis Oberspreewald-Lausitz, im Lahn-Dill-Kreis, im Landkreis Leipzig und im Altenburger Land und Ilm-Kreis. Insgesamt 13 Objekte wurden von 220 Polizeikräften durchsucht.

Die Gruppe ist eine von mehreren, die seit dem vergangenen Jahr bundesweit zunächst auf Social-Media-Plattformen wie Tiktok oder Instagram auftauchten und in denen sich sehr junge Rechtsextreme organisierten, teils noch im Teenager-Alter. Die taz hatte mit als Erste auf die „Letzte Verteidigungswelle“ aufmerksam gemacht. Die Gruppe hatte sich im April 2024 gegründet, bezeichnete sich als Instanz zur Verteidigung der „Deutschen Nation“. Ihr Schwerpunkt lag zunächst auf Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen.

Bei der Tat gefilmt

Die erste schwere Straftat beging die Gruppe am 23. Oktober vergangenen Jahres. Laut Haftbefehl sollen Lenny M. und Jerome M., zwei 15-Jährige, im Brandenburger Altdöbern mit Brandbeschleuniger ein Kulturhaus niedergebrannt haben. Sie filmten sich bei der Tat in einem Video. In dem Gebäudekomplex wohnten auch die Betreiber der Einrichtung. Nur durch Zufall seien sie nicht verletzt worden, betont die Bundesanwaltschaft. Es entstand ein Sachschaden von 500.000 Euro. An der Tat soll auch Ben-Maxim H. beteiligt gewesen sein, der vorab eine Rede entwarf, mit der Lenny M. die Tat in einem Video angekündigte, um andere Mitglieder der „Letzten Verteidigungswelle“ zu Taten zu animieren.

Claudio S. und Justin W. wird wiederum vorgeworfen, am 5. Januar im Thüringer Schmölln ein Fenster eingeschlagen zu haben und mit einer Feuerwerksbatterie in das Innere des Gebäudes geschossen zu haben, um dieses in Brand zu setzen. Ein Feuer brach aber nicht aus. An die Unterkunft sprühten die beiden Jungnazis „LVW“, „Ausländer raus“, „Deutschland den Deutschen“, „NS Gebiet“ und Hakenkreuze. Sie selbst sollen bei der Tat den Hitlergruß gezeigt haben und wurden später festgenommen.

Sächsischer „Gauleiter“ in Haft

Unter den Beschuldigten ist auch der 21-jährige Sachse Devin K., der sich selbst als sächsischer „Gauleiter“ bezeichnete. Ihm wird mit Lenny M. und Claudio S. vorgeworfen, einen Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Senftenberg geplant zu haben. In Tschechien hatte er sich dafür bereits zwei Kugelbomben besorgt. Nach einem Hinweis des Stern an die Polizei, der eine Reporterin in die Gruppe eingeschleust hatte, wurden Devin K. und Claudio S. im Februar festgenommen.

Die Bundesanwaltschaft wirft den acht Beschuldigten nun die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Als Rädelsführer sieht sie dabei Benjamin H., Jason R. und Lenny M. Die Gruppe habe mit Anschlägen gegen Migranten und politische Gegner einen „Zusammenbruch des demokratischen Systems“ in Deutschland geplant. Auch Todesfälle seien eingepreist gewesen.

Lenny M. wirft die Bundesanwaltschaft, zusammen mit Jerome M. auch versuchten Mord und besonders schwere Brandstiftung vor sowie die Verabredung zu einem Mord. Die Ermittlungen waren zunächst von den Landeskriminalämtern in Brandenburg, Sachsen und Thüringen geführt worden. Dann übernahm die Bundesanwaltschaft. Auch Verfassungsschutzämter der Länder hatten zuletzt die Beobachtung der jugendlichen Neonazi-Gruppen intensiviert.

Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) nannte es „besonders erschütternd“, dass alle Festgenommenen noch minderjährig sind. „Das ist ein Alarmzeichen und es zeigt: Rechtsextremistischer Terrorismus kennt kein Alter.“

Anmerkung der Redaktion: Wir haben das Alter der Beschuldigten korrigiert. In der ersten Version dieses Textes stand, dass der jüngste Beschuldigte 15 Jahre alt ist. Tatsächlich ist er aber 14 Jahre alt.

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14 Kommentare

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  • Da wird doch Straftechnisch wieder nichts passieren.,

  • (Kommentar betrifft auch "Eichhörnchen")



    Es muss größere Strukturen als die 200 Chatmitglieder oder die einzelnen Aktionsgruppen geben, davon bin ich überzeugt. Ich denke an eine Art übergeordnete (Erwachsenen-)Organisation, die diese ganzen Jugendgruppen steuert. Wahrscheinlich wird es schwierig werden, diese Über-Organisation festzustellen, weil die Befassung mit den Splittergruppen enorm Kräfte bindet.

  • Eine Terrorgruppe die hauptsächlich aus Minderjährigen besteht, sollte ein Alarmzeichen für die Politik sein. Bei Demokratie-Projekten zu kürzen und die Zivilgesellschaft aufs Korn zu nehmen ist alles andere als hilfreich. Merz schafft es noch nicht einmal sich von seinem Nazi-Opa zu distanzieren.

  • Die Jugendlichen werden ja sicher nicht von sich aus auf diese Ideen gekommen sein.



    Umso deutlicher wird, dass Jugendarbeit immens wichtig ist, Geld braucht und natürlich auch Aktive.



    Sonst übernehmen andere die Jugendarbeit. Gespeist aus dubiosen Geldquellen mit Funktionären im Verborgenen.

    Und wenn man die Presse so verfolgt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren dass bürgerschaftliches Engagement nur allzuoft kaputtgespart wird. "Aktive" keinerlei Unterstützung bekommen, ja sogar angefeindet werden.

    Dann muss man sich nicht wundern.

  • Und? Da sie minderjährig sind, wird hier garantiert wieder das Strafmaß reduziert aufgrund schwieriger Kindheit, soziale Umstände etc.



    Das sind schwerkriminelle, die ihre Taten bewusst durchführen. Deshalb bitte volle Härte ohne Weichspülerkurs

    • @Juhmandra:

      Problem ist, dass das Jugendstrafrecht angewandt wird. Und da gilt wie sie waren bei der Straftat. Erst über 21 Erwachsenenstrafrecht.

    • @Juhmandra:

      Ich kann Ihnen da nur voll und ganz zustimmen. Allerdings sollten alle Minderjährigen, die schwerkriminelle Taten begangen haben, nicht dem Weichspülerkurs unterliegen.

  • In der Tagesschau ist von rund 200 Personen die Rede, acht davon wurden heute in Sachsen, Thüringen, Hessen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern festgenommen. Man müsse sich bei einschlägigen Straftaten filmen und das Video einbringen, um "aufgenommen" zu werden. Bizarr.

    Anscheinend viele oder gar die meisten noch minderjährig und extrem konfliktbereit, auch ggü der Polizei. Das ist erschütternd und passt zu vielen Berichten der letzten Zeit, z.B. über entsprechende Aufmärsche und mehr.

    "Sie alle sind noch minderjährig, zwischen 15 und 21 Jahre alt."

    Alle? Mit 21 wird es dann aber langsam mal Zeit?...

  • Dass diese Terrorjugendgruppe nur aus 5 Personen besteht, kann ich mir nicht vorstellen. Ich frage mich deshalb, gerade wenn aktuell solche rechtsextremen Jugendbanden wie Pilze aus dem Boden schießen, ob es nicht doch übergeordnete Strukturen gibt, die die ganzen Gruppierungen vernetzen und "dirigieren".

    • @Sabine Hofmann-Stadtländer:

      Dazu kann ich die im Artikel genannte Dokureihe von Stern und RTL empfehlen, ein Teil davon zu Strukturen der "Letzten Verteidigungswelle":

      www.stern.de/polit...-auf-35533650.html

    • @Sabine Hofmann-Stadtländer:

      Im Tagesschauartikel zu selbigem Thema stand etwas von 200 Mitgliederin in ominösen Chatgruppen

  • Wer gezielt Häuser oder andere Gebäude anzündet in denen sich Menschen aufhalten, sollte wegen versuchten Mordes angeklagt werden und nicht nur wegen Sachbeschädigung. Leider werden gerade rechte Täter hingegen was das angeht geschont, auch wenn der Tod politisch Andersdenkender dabei billigend im Kauf genommen wird.

  • Diese jungen Leute müssen gleich die volle Härte des Gesetzes kennen lernen. Nichts mit Kuschelkurs, sofort die Höchststrafe die



    möglich ist.



    Während der Strafe sollte es Möglichkeiten geben die die Strafe reduziert( Schulabschluss, Ausbildung, Therapie, etc.)



    Da muss gleich klargemacht werden das der Staat sich wehrt.



    Wehret den Anfängen ist jetzt.

    • @Captain Hornblower:

      Die Höchststrafe für einen Vierzehnjährigen hält sich aber sehr in Grenzen.