Bundesanwaltschaft nimmt Jungnazis fest: Tatvorwurf: Terror
Die Bundesanwaltschaft lässt fünf Mitglieder der „Letzten Verteidigungswelle“ festnehmen. Die Minderjährigen sollen Anschläge geplant haben.

Zuletzt dann schaltete sich die Bundesanwaltschaft in die Ermittlungen ein – und ließ nun am Mittwochmorgen fünf Mitglieder der „Letzten Verteidigungswelle“ festnehmen. Die Vorwürfe wiegen schwer: Die Behörde wirft ihnen die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. Drei weitere Beschuldigte – Devin K. Claudio S., Justin W. – rechnet die Behörde ebenfalls der Gruppe zu, sie saßen bereits in Haft. Die meisten von ihnen sind noch minderjährig, zwischen 14 und 21 Jahre alt.
Die Festnahmen erfolgten in Rostock, Wismar, im Landkreis Oberspreewald-Lausitz, im Lahn-Dill-Kreis, im Landkreis Leipzig und im Altenburger Land und Ilm-Kreis. Insgesamt 13 Objekte wurden von 220 Polizeikräften durchsucht.
Die Gruppe ist eine von mehreren, die seit dem vergangenen Jahr bundesweit zunächst auf Social-Media-Plattformen wie Tiktok oder Instagram auftauchten und in denen sich sehr junge Rechtsextreme organisierten, teils noch im Teenager-Alter. Die taz hatte mit als Erste auf die „Letzte Verteidigungswelle“ aufmerksam gemacht. Die Gruppe hatte sich im April 2024 gegründet, bezeichnete sich als Instanz zur Verteidigung der „Deutschen Nation“. Ihr Schwerpunkt lag zunächst auf Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen.
Bei der Tat gefilmt
Die erste schwere Straftat beging die Gruppe am 23. Oktober vergangenen Jahres. Laut Haftbefehl sollen Lenny M. und Jerome M., zwei 15-Jährige, im Brandenburger Altdöbern mit Brandbeschleuniger ein Kulturhaus niedergebrannt haben. Sie filmten sich bei der Tat in einem Video. In dem Gebäudekomplex wohnten auch die Betreiber der Einrichtung. Nur durch Zufall seien sie nicht verletzt worden, betont die Bundesanwaltschaft. Es entstand ein Sachschaden von 500.000 Euro. An der Tat soll auch Ben-Maxim H. beteiligt gewesen sein, der vorab eine Rede entwarf, mit der Lenny M. die Tat in einem Video angekündigte, um andere Mitglieder der „Letzten Verteidigungswelle“ zu Taten zu animieren.
Claudio S. und Justin W. wird wiederum vorgeworfen, am 5. Januar im Thüringer Schmölln ein Fenster eingeschlagen zu haben und mit einer Feuerwerksbatterie in das Innere des Gebäudes geschossen zu haben, um dieses in Brand zu setzen. Ein Feuer brach aber nicht aus. An die Unterkunft sprühten die beiden Jungnazis „LVW“, „Ausländer raus“, „Deutschland den Deutschen“, „NS Gebiet“ und Hakenkreuze. Sie selbst sollen bei der Tat den Hitlergruß gezeigt haben und wurden später festgenommen.
Sächsischer „Gauleiter“ in Haft
Unter den Beschuldigten ist auch der 21-jährige Sachse Devin K., der sich selbst als sächsischer „Gauleiter“ bezeichnete. Ihm wird mit Lenny M. und Claudio S. vorgeworfen, einen Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Senftenberg geplant zu haben. In Tschechien hatte er sich dafür bereits zwei Kugelbomben besorgt. Nach einem Hinweis des Stern an die Polizei, der eine Reporterin in die Gruppe eingeschleust hatte, wurden Devin K. und Claudio S. im Februar festgenommen.
Die Bundesanwaltschaft wirft den acht Beschuldigten nun die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Als Rädelsführer sieht sie dabei Benjamin H., Jason R. und Lenny M. Die Gruppe habe mit Anschlägen gegen Migranten und politische Gegner einen „Zusammenbruch des demokratischen Systems“ in Deutschland geplant. Auch Todesfälle seien eingepreist gewesen.
Lenny M. wirft die Bundesanwaltschaft, zusammen mit Jerome M. auch versuchten Mord und besonders schwere Brandstiftung vor sowie die Verabredung zu einem Mord. Die Ermittlungen waren zunächst von den Landeskriminalämtern in Brandenburg, Sachsen und Thüringen geführt worden. Dann übernahm die Bundesanwaltschaft. Auch Verfassungsschutzämter der Länder hatten zuletzt die Beobachtung der jugendlichen Neonazi-Gruppen intensiviert.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) nannte es „besonders erschütternd“, dass alle Festgenommenen noch minderjährig sind. „Das ist ein Alarmzeichen und es zeigt: Rechtsextremistischer Terrorismus kennt kein Alter.“
Anmerkung der Redaktion: Wir haben das Alter der Beschuldigten korrigiert. In der ersten Version dieses Textes stand, dass der jüngste Beschuldigte 15 Jahre alt ist. Tatsächlich ist er aber 14 Jahre alt.
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