Bundes-SPD nach Niedersachsenwahl: Endlich mal gewonnen
Die SPD hat 2017 alle Wahlen verloren. Der klare Sieg in Hannover stabilisiert Parteichef Martin Schulz. Trotzdem bleibt die Situation eher unschön.
Schulz dankt Weil am Sonntagabend im Berliner Willy-Brandt-Haus überschwänglich. Was er geleistet habe, sei „einzigartig in der Wahlkampfgeschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Die Wahl sei stark geprägt gewesen von niedersächsischen Themen und davon, dass Weil großes Vertrauen bei den Bürgern genieße, schiebt er später im ZDF nach. Das Ergebnis sei ein „ermutigendes Zeichen“ in einer schwierigen Lage. Die SPD habe sich nach ihrer bitteren Niederlage bei der Bundestagswahl nicht auseinanderdividieren lassen.
Das mag sein. Die Frage ist nur: Was bewirkt ein einziger Regenguss auf der ausgedörrten Erde der deutschen Sozialdemokratie? Das Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, dann das 20,5-Prozent-Debakel im Bund: Die SPD hat in diesem Jahr bisher alle Wahlen verloren. Niedersachsen, wo die SPD im Vergleich zu 2013 fast fünf Prozentpunkte zulegte, wird da zum Leuchtfeuer. Und Weil, der strahlende Sieger, gibt prompt ein kleines Kompliment an Berlin zurück. Die klare Entscheidung der SPD gegen die Große Koalition im Bund habe geholfen, sagt er. Schulz hatte seine Genossen früh auf den Oppositionskurs eingeschworen.
Trotz des Motivationsschubs bleibt die Situation aber unschön. Schulz weist auf die Schwäche der AfD in Niedersachsen hin. Wenn sich die demokratischen Linken und Rechten mit harten Argumenten einen Kampf lieferten, dann blieben die Ränder schwach. In der Tat rangiert die AfD in Niedersachsen nach ersten Prognosen nur knapp über der Fünfprozenthürde, und die Volksparteien lagen in der Schlussphase des Wahlkampfs Kopf an Kopf. An dem strukturellen Problem, dass viele Arbeiter heute AfD wählen, ehemalige Kernmilieus der SPD also erodieren, ändert das nichts.
Empfohlener externer Inhalt
Auf den inhaltlichen Kurs im Bund hat die Wahl wenig Auswirkungen. In Regionalkonferenzen vor dem Parteitag soll die Basis gehört werden. Die wichtige Figur neben Schulz, die neue Fraktionschefin Andrea Nahles, hat den digitalen Kapitalismus als Großthema entdeckt. Ihn, der die Lebens- und Arbeitswelt seit Jahren umkrempelt, gelte es einzuhegen. Außerdem will Nahles das Profil der SPD schärfen. Motto: Weniger Kleinkramverwaltung à la Große Koalition, mehr Mut zu Grundsatzfragen, offensiv den Kontakt zur Gesellschaft suchen.
Vielleicht ist die Wahl auch ein Beleg für das ausgleichende Interesse der Deutschen. In der Vergangenheit profitierte nach einer Bundestagswahl oft der Wahlverlierer in folgenden Landtagen. Der „Stern von Merkel“ verblasse, twittert der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Die Erneuerung nehme Fahrt auf. Sicher ist: Das SPD-Personaltableau wird durch das Ergebnis in Niedersachsen stabilisiert. Schulz will Chef bleiben, ihn stärkt das Ergebnis. Er sei, heißt es in der SPD, bei der Basis beliebt, auch werde ihm die Katastrophe in Berlin nur bedingt angelastet. Er habe im Wahlkampf alles gegeben und könne nichts dafür, dass sein Vorgänger Sigmar Gabriel ihn spät in eine schlecht vorbereitete Kampagne geschubst hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los