Büroversehen im Ministerium: Staatssekretär Schröder teilt aus
Der CDU-Mann gab dem Parlament brisante Auskünfte zur Türkei. Jetzt schießt er gegen das Auswärtige Amt – mit einem gewagten Argument.
Schröders Ministerium hatte die Türkei in dem Dokument als „Aktionsplattform“ für Islamisten bezeichnet und damit die Regierung in Ankara verärgert. Entgegen der Gepflogenheiten war das Auswärtige Amt in den Vorgang nicht einbezogen – angeblich wegen des Versehens eines Sachbearbeiters, das dem Staatsekretär nicht auffiel. Beide Ministerien betonten noch am Mittwoch, man habe den Vorfall „besprochen und ausgeräumt“.
Dass Schröder nur Stunden später nachlegte, überrascht – zumal er bisher nicht als Vorkämpfer für die Auskunftsrechte des Parlaments aufgefallen war.
Im Gegenteil: Im April 2016 erkundigten sich die Grünen nach einem brisanten V-Mann-Einsatz im NSU-Umfeld. Schröder antwortete, man gebe zu verdeckten Ermittlungen „grundsätzlich keine Auskunft“. Als eine Abgeordnete ein Jahr zuvor detaillierte Informationen über Lobbyisten in Ministerien verlangte, kanzelte er sie mit einem einzigen Satz ab. Und schon zu Beginn der NSA-Affäre bezweifelte er im Bundestagsplenum, dass die Regierung etwaige Erkenntnisse über das amerikanische Spähprogramm „dem Parlament bekanntgeben könnte“.
Opposition klagt gegen Regierungspraxis
Die Opposition beklagt sich schon lange über solche Ausflüchte von Schröder und anderen Regierungsvertretern. „Fristen parlamentarischer Anfragen werden nicht eingehalten und Informationen und Unterlagen dem Parlament gänzlich verweigert. Das Vorgehen hat Methode. Die Große Koalition missachtet Parlamentsrechte bewusst und systematisch“, sagt der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. Seine Fraktion und die der Linkspartei wehren sich derzeit in mehreren Gerichtsverfahren gegen die Regierungspraxis.
Warum sich jetzt ausgerechnet CDU-Mann Schröder auf die Seite der Opposition schlägt? Der ehemalige Wirtschaftsanwalt verkündete im Juni, die Politik nach der Bundestagswahl 2017 zu verlassen. Vielleicht pfeift er schon jetzt auf die Regierungsräson. Vielleicht will er aber auch einfach nicht als derjenige Staatssekretär abtreten, der rein aus Versehen eine diplomatische Krise auslöste. Ein Plus auf der Jobsuche ist das schließlich nicht.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder