Bürgerschaftswahl in Hamburg: Ist Schwarz das neue Grün?
In Hamburg spricht vieles für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition. Vor allem die Sozialdemokraten haben aber auch andere Optionen.
Das Kalkül der SPD ist klar. Sie will um fast jeden Preis Tschentscher als Bürgermeister durchsetzen. Als um die Jahreswende herum Rot und Grün in allen Umfragen Kopf an Kopf lagen, entstand in Teilen der SPD der Plan, den Bürgermeister mit einer „Deutschlandkoalition“ mit CDU und FDP zu retten, falls die Grünen am Wahlabend vorne lägen und ihre Spitzenkandidatin, Katharina Fegebank, Anspruch auf das Amt erheben würde.
Die Idee stieß auf Gegenliebe: Auch die CDU machte der SPD eifrig Avancen, um nicht ganz ohne Machtoption in die Wahl zu ziehen. Und die FDP zeigte sich zu allem bereit, was sie an die Tröge der Macht führen würde.
Doch dann wurde in Thüringen der FDP-Kandidat mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt und das Land stürzte in eine noch immer andauernde politische Krise – mit Auswirkungen auf den Wahlkampf in Hamburg.
Die SPD baut eine Drohkulisse auf
Die FDP muss inzwischen um den Wiedereinzug in die Bürgerschaft bangen, und die SPD profitiert von dem politischen Klimawandel so stark, dass es nach den neuesten Umfragen schon gemeinsam mit der CDU zu einer Mehrheit reichen könnte – vorausgesetzt, die Liberalen bleiben außen vor. „Rot-Grün oder Große Koalition?“, lautet nun die Frage in Hamburg. Doch Letzteres ist vor allem Drohkulisse, falls die Grünen bei Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten zu selbstbewusst und fordernd auftreten.
Am 23. Februar wird in Hamburg die Bürgerschaft gewählt. Laut Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vom 14.02.2020 im Auftrag des ZDF würden 37 Prozent der Hamburger:innen SPD wählen, 25 Prozent Grüne, 13 Prozent CDU, 8 Prozent die Linkspartei und 7 Prozent die AfD. Die FDP wäre mit 4,5 Prozent nicht in der Bürgerschaft vertreten.
Den Grünen hingegen zerbrach in den vergangenen Wochen eine Option nach der nächsten. Die Zeiten, in denen die Partei hoffen konnte, am Wahlabend vor der SPD zu liegen, sind laut Umfragen vorbei – die Sozialdemokraten haben derzeit mehr als 10 Prozentpunkte Vorsprung.
Und als die Grünen in Richtung CDU und FDP schielten, um mit ihnen Fegebank zur Bürgermeisterin zu küren, falls die SPD die Nase vorne hätte, erhielten sie eine Abfuhr vom CDU-Spitzenkandidaten Marcus Weinberg. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete gilt eigentlich als sehr grünenaffin. Vor einigen Wochen überraschte er aber mit der Aussage, er würde eine Koalition mit SPD und FDP einem Bündnis mit Grünen und FDP deutlich vorziehen.
Die Grünen haben somit nur eine Machtoption: die Fortsetzung der bisherigen Koalition. Da sie ihr Ergebnis der letzten Bürgerschaftswahl von 12,3 Prozent auf etwa 25 Prozent vermutlich verdoppeln, rechnen sie sich in der nächsten Koalition mehr Gestaltungsmöglichkeiten und SenatorInnenposten aus. Damit rechnet auch die SPD. Und nur falls die Grünen zu übermütig werden sollten, steht die Option Große Koalition im Raum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“