Bürgerrechtler misstrauisch: Musterklage gegen Steuer-ID

Derzeit erhalten alle Deutschen von der Steuerverwaltung eine Nummer, die lebenslang gilt. Bürgerrechtler klagen dagegen. Sie befürchten ein heimliches Personenkennzeichen.

Die elfstellige Nummer soll den Bürger vom Säuglings- bis zum Greisenalter begleiten. Bild: ap

FREIBURG taz Seit Anfang August wird jedem Bürger eine Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) zugeteilt. "Damit wird unter der Hand ein unzulässiges Personenkennzeichen eingeführt", kritisiert die Humanistische Union (HU). Die Bürgerrechtler haben inzwischen eine Musterklage eingereicht.

Bis zum Jahresende soll jeder Bürger, vom Baby bis zum Greis, eine elfstellige Steuer-ID erhalten. Anders als bisherige Steuernummern wird sie ihn sein Leben lang begleiten. Durch die bundesweit eindeutige Steuer-ID sollen die Finanzämter effizienter gegen Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit vorgehen können. Zudem soll bald eine "elektronische Lohnsteuerkarte" die alten Kartonformulare ersetzen.

Die HU akzeptiert zwar, dass eine effiziente Steuerverwaltung ein einheitliches und dauerhaftes Ordnungsmerkmal braucht, sie fürchtet aber, dass die Steuer-ID bald auch in vielen anderen Bereichen eingesetzt wird. "Mithilfe eines solchen Personenkennzeichens können dann alle bei Behörden gespeicherten Daten über eine Person zusammengeführt werden", warnt HU-Geschäftsführer Sven Lüders. Eine solche "Erstellung von Persönlichkeitsprofilen" hat das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil von 1983 ausdrücklich verboten. Die Bundesregierung bestreitet jedoch derartige Pläne. Die Steuer-ID diene nur dem Austausch mit und zwischen den Finanzbehörden.

Die HU weist darauf hin, dass gesetzlich ausdrücklich eine Ausweitung der strengen Zweckbindung ermöglicht wurde. So dürfen neben den Finanzämtern auch "andere öffentliche und nichtöffentliche Stellen" die Steuer-ID nutzen, wenn dies "eine Rechtsvorschrift erlaubt oder anordnet". Diese Öffnungsklausel in Paragraf 139 b der Abgabenordnung sei zu unbestimmt und unverhältnismäßig und mache die Vergabe der Steuer-ID verfassungswidrig, so die HU.

Eine direkte Verfassungsbeschwerde gegen die Steuer-ID ist nicht mehr möglich. Deren gesetzliche Einführung - 2003 unter Rot-Grün - liegt bereits zu lange zurück. Die HU muss nun den Weg durch die Instanzen nehmen. Ein Aktivist aus Niedersachsen hat gegen die Zuteilung seiner Steuer-ID Klage beim Finanzgericht Köln eingereicht, das in dieser Frage für ganz Deutschland zuständig ist. Die Richter sollen feststellen, dass die Steuer-ID derzeit verfassungswidrig ist. Die Kläger hoffen, dass ein Gericht die Frage alsbald beim Bundesverfassungsgericht vorlegt. Sonst müsste gegen das letztinstanzliche Urteil des Bundesfinanzhofs eine Verfassungsbeschwerde eingereicht werden. Ob die Steuer-ID zulässig ist, wird Karlsruhe wohl also erst in einigen Jahren entscheiden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.