Bürgerrechte in den Koalitionsverhandlungen: Die drei Hassobjekte
Wo sich die FDP hart zeigen muss: Drei Gesetze, die die Liberalen schleifen wollen. Eine Übersicht und eine Einschätzung der Chancen, wo sich die FDP durchsetzen wird.
FREIBURG taz | Vor allem bei folgenden drei Projekten wollen die Liberalen in den aktuellen Koalitionsverhandlungen schwarz-rote Gesetze schleifen und die Bürgerrechte wieder stärken:
Vorratsdatenspeicherung: Seit 2008 müssen Telefonfirmen sechs Monate lang speichern, wer mit wem wie lange telefonierte. Beim Mobilfunk muss auch der Standort gespeichert werden. Seit 2009 wird zudem registriert, wer wann ins Internet ging und an wen Mails verschickte. Inhalte werden nicht erfasst, die Polizei kann nur im Verdachtsfall zugreifen.
Die FDP will diese Vorratsdatenspeicherung am liebsten ganz abschaffen, aber das geht nicht, weil es eine EU-Vorgabe ist. Auch das Bundesverfassungsgericht, bei dem rund 34.000 Verfassungsbeschwerden (auch von FDP-Politikern) vorliegen, kann das Gesetz nicht beseitigen. Kippen könnte es nur der EU-Ministerrat oder der Europäische Gerichtshof.
In den Koalitionsverhandlungen kann die FDP deshalb höchstens punktuelle Zugeständnisse erreichen. Patrick Breyer, der juristische Vordenker des Arbeitskreises Vorrat, hat dazu Vorschläge gemacht. So sollen die Daten nur zur Aufklärung von Taten genutzt werden dürfen, die mit mindestens vier Jahren Haft bedroht sind, gemeint sind im Wesentlichen Mord und Totschlag. Außerdem soll der Staat die Investitionen der Firmen für die Speicherung bezahlen.
Onlinedurchsuchung: Seit Jahresbeginn hat das Bundeskriminalamt das Recht, zur Verhinderung von internationalen Terroranschlägen heimlich mit Spähsoftware Computer-Festplatten zu durchsuchen. Faktisch gab es bisher aber noch keinen einzigen Anwendungsfall, das Thema hat vor allem hohe symbolische Bedeutung.
Die FDP will dem Bundeskriminalamt (BKA) diese Befugnis wieder nehmen. Die CDU will sie ausweiten. So soll das BKA zur Installation der Spähsoftware in Wohnungen einbrechen dürfen. Außerdem sollen auch die Landespolizei bei der Aufklärung schwerer Straftaten sowie der Verfassungsschutz Onlinedurchsuchungen durchführen können.
Wenn die FDP die weitergehenden CDU-Wünsche abwehren könnte, wäre das schon ein Erfolg für die Partei. Die SPD hatte die CDU-Wünsche nicht grundsätzlich, sondern nur vor der Wahl abgeblockt. Eventuell erreichen die Liberalen noch, dass die erste Sichtung der kopierten Dateien einem Richter überlassen wird. Bisher sollen zwei BKA-Beamte gemeinsam mit dem BKA-Datenschutzbeauftragten allzu intime Dateien löschen. Dagegen (und gegen viele andere Punkte der BKA-Novelle) klagt bereits der FDP-Politiker Gerhart Baum beim Bundesverfassungsgericht. Grundsätzlich wird Karlsruhe die Onlinedurchsuchung aber nicht mehr kippen, weil es sie im Februar 2008 schon zugelassen hat.
Internetsperren: Im Juni beschloss der Bundestag das Zugangserschwerungs-Gesetz. Danach soll das BKA täglich eine Liste mit Kinderporno-Seiten erstellen, die im Internet frei zugänglich sind. Die Internetprovider müssten dann verhindern, dass ihre Kunden diese Seiten einfach anklicken können.
Das Gesetz ist noch nicht in Kraft, weil die Bundesregierung vergessen hatte, rechtzeitig der EU Gelegenheit zum Einspruch zu geben. Inzwischen ist die Einspruchsfrist abgelaufen. Seit Anfang der Woche prüft jetzt der Bundespräsident, ob er unterzeichnet.
Die FDP lehnt das Gesetz ab und hat bereits eine Verfassungsklage angedroht. Die CDU hat sich zuletzt leicht von dem Projekt distanziert, das einst von CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen angeschoben wurde. Hier könnte sich die FDP wohl am ehesten durchsetzen. Sie muss dann aber aufpassen, dass die Internetsperren nicht via EU eingeführt werden.
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