Bürgermeisterposten in Hamburg vakant: Ein Kronprinz und zwei Außenseiter
Olaf Scholz soll Vize-Kanzler und Bundesfinanzminister werden. Sein Nachfolger als Hamburger Bürgermeister dürfte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel werden.
Als sein Nachfolger im Rathaus steht Fraktionschef Andreas Dressel bereit. Der 43-Jährige, der seit sieben Jahren die SPD-Abgeordneten in der Bürgerschaft führt, ist in Fraktion und Partei anerkannt und gilt als integrativ und führungsstark. Notfalls redet der stets freundliche Zwei-Meter-Hüne Dressel so lange in immer neuen Formulierungen immer wieder dasselbe, bis der Gesprächspartner ermattet aufgibt.
Zwei weitere Namen für die Scholz-Nachfrage werden lanciert: Innensenator Andy Grote, erst seit zwei Jahren im Amt, und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit. Beide haben nur Außenseiterchancen. Gleiches gilt für Sozialsenatorin Melanie Leonhard und die Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz.
Allerdings wird noch ein Posten zu vergeben sein. Scholz ist als erster SPD-Mann Bürgermeister und zugleich Parteivorsitzender in Hamburg, ansonsten galt stets die Trennung von Amt und Mandat. Wahrscheinlich wird er auch den Parteivorsitz aufgeben, und wahrscheinlich werden beide Posten wieder getrennt werden.
Offiziell wird in Hamburgs SPD die Sache kleingeredet. Vor der Suche nach einem Scholz-Nachfolger müsse der Mitgliederentscheid der Parteibasis positiv ausfallen. „Sollten sich aus einem positiven Votum und der Kabinettsbildung in Berlin Nachfolgefragen in Hamburg stellen, werden wir zur gegebener Zeit solidarisch und gemeinschaftlich in Partei und Fraktion einen Personalvorschlag unterbreiten“, sagt ausgerechnet Dressel.
Ein führender Sozialdemokrat über Olaf Scholz
Für den Koalitionspartner ist das kein Grund zur Sorge. „Wir werden als Rot-Grün weiterhin schlagkräftig zusammenarbeiten und regieren“, glaubt Fraktionschef Anjes Tjarks, den mit seinem Noch-Amtskollegen Dressel ein enges Vertrauensverhältnis verbindet.
Die Opposition drängt hingegen auf Klarheit. Scholz müsse „die unsäglichen Diskussionen um seine künftige Rolle beenden“, fordert CDU-Fraktionschef André Trepoll. Die FDP-Doppelspitze Anna von Treuenfels-Frowein und Michael Kruse wüsste gerne, „ob Olaf Scholz Hamburg weiter regieren möchte oder nicht“. Er müsse schnellstmöglich „das Machtvakuum beenden“. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir hofft auf Besserung: „Mit der Ära Scholz endet hoffentlich auch die Ära des eiskalten Kürzens, des Kaputtsparens und der Blockaden.“
Scholz schweigt. Dass er gern Bundeskanzler wäre, ist ein offenes Geheimnis. Das Amt aber ist für die SPD unerreichbar, Vizekanzler und Finanzminister ist das, was er werden kann. Dafür hatte er sich seit Jahren taktisch klug in der Bundespolitik in Stellung gebracht, zuvörderst als Haushaltsexperte.
Länderfinanzausgleich ausgehandelt
Den neuen Länderfinanzausgleich hatte Scholz voriges Jahr im Namen aller Bundesländer mit dem damaligen CDU-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ausgehandelt. Das SPD-Steuerkonzept pries er im Wahlkampf als „das beste“, ohne den Zusatz zu vergessen: „Es ist von mir.“ In den Verhandlungen mit CDU und CSU war er für die SPD federführend bei den Themen Steuern und Finanzen.
„Er ist sowohl einer unserer klügsten, als auch einer unserer arrogantesten Köpfe“, sagt ein führender Genosse über ihn. Denn geliebt wird Scholz, kühler Analyst und Pragmatiker, der bekennt, „nicht so emotional unterwegs“ zu sein, von seiner Partei nicht. Mit nur 59,2 Prozent wurde er Anfang Dezember als Parteivize wiedergewählt – das mit Abstand schlechteste Ergebnis.
Was ihn nicht aus der Ruhe bringt. Nach dem Verhandlungsmarathon teilte er Mittwochmittag mit: „Mir geht es gut, ich schlafe mal jetzt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind