Bürgermeister von Istanbul: Wiederholung der Wahl angeordnet
In der Türkei hat eine Kommission die Bürgermeisterwahl Istanbuls annulliert. Präsident Erdogan hatte darauf gedrungen.

Zweites Rennen angeordnet: AKP-Bürgermeisterkandidat Binali Yildirim in Istanbul Foto: reuters
ISTANBUL dpa | Mehr als einen Monat nach der Bürgermeisterwahl in der Türkei hat die türkische Wahlkommission die Abstimmung in Istanbul annulliert und eine Wiederholung angeordnet. Damit gab sie am Montag einem Antrag der Regierungspartei von Präsident Recep Tayyip Erdogan statt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Die Wahlkommission hatte den Wahlsieg des Oppositionspolitikers Ekrem Imamoglu im April anerkannt, allerdings könnte ihm das Mandat nun wieder abgenommen werden.
Imamoglu hatte die Kommunalwahl in Istanbul am 31. März mit einem Vorsprung von nur rund 24 000 Stimmen vor Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim gewonnen. Nach dem Einspruch der Regierungspartei AKP und einer Neuauszählung in mehreren Bezirken schrumpfte der Unterschied zwar, konnte von der AKP aber nicht mehr aufgeholt werden. Die AKP beantragte daraufhin eine Wiederholung der Abstimmung in Istanbul und forderte unter anderem eine Überprüfung der Wahlhelfer.
Die Hauptstadt Ankara, die ebenfalls an die Opposition ging, und die Wirtschaftsmetropole Istanbul wurden 25 Jahre lang von islamisch-konservativen Bürgermeistern regiert. Die Niederlage für die AKP in diesen Städten war ein Gesichtsverlust für Erdogan, der selbst einst Bürgermeister von Istanbul war.
Miese Wirtschaftslage
Das wochenlange Gezerre um das Ergebnis in der größten Stadt der Türkei wurde auch international aufmerksam verfolgt. Die Entscheidung der Wahlkommission könnte sich auch auf die ohnehin angeschlagene türkische Wirtschaft auswirken und zu einem weiteren Verfall der Lira führen. Die Türkei befindet sich seit Ende des Jahres in der Rezession. Die Inflation liegt konstant hoch bei rund 20 Prozent. Vor allem Lebensmittel werden immer teurer.
Der Präsident und AKP-Chef hatte schon kurz nach der Wahl von Regelwidrigkeiten und „Diebstahl an den Urnen“ gesprochen. Am Samstag hatte er erneut deutlich gemacht, dass er die Abstimmung in Istanbul für unrechtmäßig hält. Damit erhöhte er auch den Druck auf die Hohe Wahlkommission, dem Antrag auf Annullierung stattzugeben.
„Diebstahl an den Urnen“
Landesweit wurde Erdogans AKP bei der Kommunalwahl stärkste Partei. Allerdings verlor sie in Metropolen Zuspruch. Vier der fünf größten Städte des Landes gingen an die Opposition.
Rund 57 Millionen Türken waren am 31. März dazu aufgerufen, in 81 Provinzen Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 84 Prozent.
Leser*innenkommentare
Sven Günther
"Die AKP beantragte daraufhin eine Wiederholung der Abstimmung in Istanbul und forderte unter anderem eine Überprüfung der Wahlhelfer."
Das ist so nicht ganz richtig, es geht um die Wahlräte. Die AKP hat letztes Jahr ein Gesetz beschlossen, gegen den Widerstand der Opposition, das Wahlräte Beamte sein müssen, das sind einige aber definitiv nicht.
Das sind aber die gleichen Wahlräte, die auch bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen letztes Jahr zuständig waren.
Da hat das aber niemanden gestört, Mashara.
94797 (Profil gelöscht)
Gast
Die "wählen" solange bis dass Emir Erdogan Erster ist.
Wer wählt- und dann noch konservativ- kommt darin um.
"Wenn Wahlen was ändern würden wären sie verboten ": alte Anarchistenweisheit.Immer wieder,m das Gleiche. Ob subti,l wie bei uns (Systemchange steht nicht mal zur Debatte, für weniger zur Wahl) oder so grob wie in Tyrannopolis ääh Türkei
Tabus überall
Hut ab.Da gibt mal ein Staat offen zu, dass er nicht in der Lage ist, rechtmäßige Wahlen durchzuführen.
Andreas_2020
Das wird nicht gut gehen. Die Kreditgeber der Türkei werden sehr genau verfolgen, wie die nächste Wahl abläuft. Dass Erdogan mit dem Sicherheitsapparat und der Zentralregierung die Trumpf-Karten hält, wird eventuell dieses Mal ins Leere laufen. Viele Menschen in der Türkei haben ernste wirtschaftliche Sorgen und ein durchgebranter Islamisten-Staat mit Mega-Schulden und sinkenden Touristen-Zahlen würde alles noch schlimmer machen. Erdogan spielt aber auch mit dem Feuer. Wenn die anderen Kräfte jetzt offensiv um ihren Sieg geprellt werden, wird ein Bürgerkrieg immer wahrscheinlicher. Irgendwann wird der Druck einfach zu groß. Dann müsste Erdogan wohl extrem hart vorgehen, viel härter als die Militärs 1980, um noch seine Regierung retten zu können. Auch sein offensiver Nepotismus und Klientelismus produziert viele Verlierer, diese Leute hatten mal was, jetzt wird ihnen immer mehr genommen und sie sehen, wer es bekommt und warum. Unter diesen Verlierern sind auch viele AKP- und ehemalige-Günstlige und Bekannte von Erdogan. Dazu kommt noch, dass die Durchschnittstürken ihr Militär geliebt haben - diese Kraft wird eventuell bei einem echten Bürgerkrieg gegen Erdogan vorgehen.