Bürgermeister über die kleinste Gemeinde: „Unser Hof liegt in der Sackgasse“

Keine Kriminalität, keine Arbeitslosigkeit, keine Hundesteuer: ein Anruf beim Bürgermeister von Dierfeld, dessen Gemeinde aus nur neun Personen besteht.

Luftaufnahme der Gemeinde Dierfeld

Das kleine Dierfeld aus der Luft Foto: Harald Tittel/dpa

Im Naturpark Vulkaneifel, Landkreis Bernkastel-Wittlich, liegt abseits der Kreisstraße 28 ein altes Jagdschloss mit Tor, Turm und Schieferdach. 1492, in dem Jahr, als Christoph Kolumbus Amerika „entdeckte“, wurde das Grundstück erstmals urkundlich erwähnt. Deswegen könne er sich das so gut merken, sagt Roderich von Greve-Dierfeld, 42 Jahre alt – und Bürgermeister der kleinsten Gemeinde Deutschlands, die auch so heißt wie er: Dierfeld. Insgesamt neun Menschen lebten zum Stichtag der Erhebung des Statistischen Bundesamts in dem Örtchen, allesamt im alten Jagdschloss. So führt Dierfeld zum zweiten Mal in Folge das nationale Ranking an. Mit seiner Wäh­le­r:in­nen­schaft teilt der Bürgermeister nicht nur die Anschrift, sondern teilweise auch den Nachnamen. Der Gemeinderat tagt im Wohnzimmer.

wochentaz: Herr von Greve-Dierfeld, die Orte Wiedenborstel und Gröde in Schleswig-Holstein sind Ihre stärkste Konkurrenz – mit zehn und elf Einwoh­ne­r:in­nen in diesem Jahr aber nur auf Platz 2 und 3. Sind Sie froh, dass es wieder geklappt hat?

Roderich von Greve-Dierfeld: Eher überrascht. Ich gebe immer wahrheitsgetreue Angaben, und die Deadline lag wohl so, dass es passte. Stand jetzt haben wir mehr als neun Anwohner, weil wir Arbeiter beschäftigen, die hier sozialversicherungspflichtig gemeldet sind. Wir sind ein forstwirtschaftlicher Betrieb und handeln mit Tannengrün, beispielsweise für Adventsgestecke. Die Menschen helfen bei der diesjährigen Saison und verlassen uns dann wieder. So sind wir übrigens momentan auch die Gemeinde mit dem höchsten Ausländeranteil.

Was ist das größte Vorhaben in Ihrer aktuellen Legislatur?

42, parteilos, ist neben seinem politischen Amt Geschäfts­führer eines forst- und landwirtschaftlichen Betriebs.

Wir würden auf dem Areal von Dierfeld gerne einen Solarpark errichten, der dann mehrere hundert Haushalte mit Wärme und Strom versorgen könnte. Solche Projekte scheitern ja häufiger mal, weil die Bevölkerung aufbegehrt, das ist bei uns jetzt nicht der Fall. Die Wege sind hier ja etwas kürzer, Bürokratie nicht so ein großes Thema wie anderswo. Trotzdem gibt es natürlich eine Vielzahl an Vorgaben und man braucht einen langen Atem.

Auf Ihrem Anwesen haben Sie neuerdings eine Ferienwohnung hergerichtet. Was kann man in Dierfeld erleben?

Als Städter, der sich nach der Natur sehnt, ist man hier auf jeden Fall richtig aufgehoben. Man kann wandern und Rad fahren, es gibt zwei Vulkanseen zum Angeln, die ganze Moselregion ist nur ein Steinwurf entfernt. Und dann ist der Hof einfach sehr idyllisch gelegen, in einer Sackgasse. Wenn man zu uns will, muss man das auch wollen.

Nehmen Sie Dierfelds Position im Städteranking auch als Auszeichnung wahr?

Ich freue mich natürlich, dass wir Publicity erfahren und für die Nachrichten auch mal eine nette, fröhliche Geschichte präsentieren können. Deutschland funktioniert ja sehr über Zahlen und Superlative. Daher sage ich, auch wenn es an unserer Bevölkerungsdichte liegt: Wir haben die größte Waldfläche pro Kopf, keine Coronafälle, keine Kriminalität, keine Arbeitslosigkeit. Und keine Hundesteuer.

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