Bürgermeister-Wahl in Stuttgart: SPD gegen SPD
Zwei SPDler wollen Stuttgart regieren – und verstrickten sich in einen Machtkampf. Nun könnte einer aus der Partei ausgeschlossen werden.
Schreier sagt, das sei ein abgekartetes Spiel. Es gibt Streit um Zeitabläufe, eingeschriebene Briefe und die Frage, wer wann mit wem gesprochen hat. Schreier verweigert sich dem parteiinternen Nominierungsverfahren und kündigt stattdessen im Januar an, als unabhängiger Kandidat ins Rennen zu gehen.
Jetzt hat der SPD-Landesvorstand ein Parteiordnungsverfahren gegen den forschen Schreier eröffnet, das mit einem Ausschluss durch ein Parteischiedsgericht enden könnte. Zudem muss der unbotmäßige Kandidat ab sofort seine Parteiämter ruhen lassen.
Die Landespartei wertet seine Kandidatur als unsolidarisch und parteischädigend, sagte Generalsekretär Sascha Binder am Montag vor der Presse. Binder ist sichtlich sauer: „Egal, welches Talent einer mitbringt – es gibt in der SPD immer noch eine Grundregel: Es darf kein unsolidarisches Verhalten geben.“
Die Sozialdemokraten vergeben eine Chance
Keine Frage, Marian Schreier, der mal Mitarbeiter im Abgeordnetenbüro von Peer Steinbrück war, scheint trotz Mitgliedschaft im Landesvorstand der Partei wenig Wert auf die Rückendeckung der SPD zu legen. Bei seiner Wahl zum Bürgermeister in Tengen, einem Städtchen mit gerade einmal 4.500 Einwohnern, kandidierte er trotz Parteibuch als unabhängiger Kandidat.
Das ist in Baden-Württemberg mit seiner Direktwahl der Bürgermeister nicht ganz ungewöhnlich. Deshalb verweist er auch auf Städte wie Singen oder Konstanz, wo sich mehrere Kandidaten der gleichen Partei um einen Bürgermeisterposten beworben haben. Sogar in Stuttgart war vor 24 Jahren im zweiten Wahlgang ein weiterer SPD-Mann gegen den offiziellen Kandidaten der Partei angetreten. Gewonnen hat damals übrigens CDU-Kandidat Wolfgang Schuster.
Schreiers Wahlkampagne, die er nach eigenen Angaben mit eigenem Geld und Crowdfunding finanziert, hat deshalb wenig sozialdemokratischen Stallgeruch. Mit Gelfrisur und der Farbgebung seiner Plakate hat er eher Anleihen beim österreichischen Politik-Wunderkind Sebastian Kurz genommen.
Auch dürfte Schreier bei seinem Wahlkampf auf maximale Präsenz in Social-Media-Kanälen setzen, um jüngere Wählergruppen anzusprechen. Damit hatte schon der heutige Oberbürgermeister von Freiburg, Martin Horn, 36, überraschend den grünen Amtsinhaber Dieter Salomon abgelöst – damals mit Unterstützung der SPD.
Schaut man sich die Lage in Stuttgart sieben Monate vor der Wahl an, ist es allerdings erstaunlich, dass die SPD auf so ein Talent verzichtet. Nach dem überraschenden Rückzieher des grünen OB Fritz Kuhn ist das Bewerberfeld wenig spektakulär. Die Grünen schicken Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle ins Rennen. Die CDU setzt auf Frank Nopper, Rathauschef aus Backnang. Die Ausgangslage für den SPD-Kandidaten ist dagegen denkbar schlecht: Bei der Gemeinderatswahl vergangenes Jahr hatte die SPD gerade noch 11,7 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist