Bürgerkrieg in Syrien: UN untersucht Giftgas-Vorwürfe
Stück für Stück kämpfen sich die syrischen Rebellen voran. Auch Präsident Assad räumt ein: Die Lage ist brisant. Selbst die russische Marine meidet ihren Stützpunkt in Tartus.
DAMASKUS/ISTANBUL dpa | Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte erstmals eingeräumt, dass der Bürgerkrieg das ganze Land erfasst hat. Während eines Treffens mit Angehörigen getöteter Schulkinder in Damaskus sagte Assad: „Ganz Syrien ist heute verletzt.“
Assad setzte bei der UN die Untersuchung von Vorwürfen durch, dass auch Giftgas bei den Kämpfen eingesetzt werde. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon teilte am Donnerstag in New York mit, er sei verpflichtet, der syrischen Anfrage nachzugehen. Er habe die Vorbereitung der Ermittlungen mit der Organisation gegen den Einsatz chemischer Waffen (OPCW) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angestoßen.
Regierung und Rebellen hatten sich gegenseitig vorgeworfen, Granaten mit chemischen Kampfstoffen eingesetzt zu haben. Die USA hatten den Einsatz von Giftgas als „rote Linie“ bezeichnet. Auch Frankreich und Großbritannien waren für eine UN-Untersuchung der Vorwürfe, Russland war dagegen.
Assad hatte am Mittwoch zu den Hinterbliebenen der Schulkinder gesprochen. Die Videoaufnahme davon wurde erst am Donnerstag von der staatlichen Nachrichtenagentur Sana veröffentlicht. „Es gibt im ganzen Land niemanden, der nicht einen Verwandten verloren hat, einen Bruder, den Vater oder die Mutter“, sagte Assad. „Aber nichts ist so schlimm wie der Verlust eines Sohnes. Dennoch darf das, was uns widerfährt, uns nicht schwächen.“
Russische Marine meidet Stützpunkt
Aufgrund der zunehmend gefährlichen Lage meidet die russische Marine inzwischen ihren Stützpunkt in der syrischen Hafenstadt Tartus. Die im Mittelmeer kreuzenden Kriegsschiffe würden stattdessen in der libanesischen Hauptstadt Beirut ihre Vorräte auffüllen, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Militärkreise.
Die syrischen Rebellen konnten nach eigenen Angaben einen weiteren Militärstützpunkt einnehmen. Das von Regimegegnern gegründete Nachrichtennetzwerk Scham meldete, die Freie Syrische Armee habe den Standort einer Artilleriebrigade westlich der Stadt Nawa erobert. Die Kämpfer hätten Waffen erbeutet und mehrere Soldaten gefangen genommen.
Die Opposition diskutierte weiter über ihre Interimsregierung. Rima Fleihan, ein Mitglied der Nationalen Syrischen Koalition, sagte: „Bis jetzt sind die Befugnisse der Regierung und ihr Programm noch nicht im Detail geklärt.“
Die Koalition hatte am Montag Ghassan Hitto in Istanbul zum Übergangsregierungschef gewählt. Da seine Regierung aber noch nicht steht, soll der Vorsitzende der Koalition, Muas al-Chatib, die Opposition beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Katar kommende Woche vertreten. Das teilte der Oppositionelle Haitham al-Maleh mit.
Am Mittwoch sollen in Syrien etwa 200 Menschen getötet worden sein. Am Donnerstag zählten die Rebellen zunächst 64 Tote.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos