Bürgerkrieg in Syrien: Fassbomben auf Aleppo

Die Luftwaffe von Präsident Baschar al-Assad bombardiert seit nunmehr fünf Tagen Stadtviertel, die von Aufständischen kontrolliert werden.

Straße in Aleppo nach einem Luftangriff des Regimes. Bild: reuters

BERLIN taz | Die syrische Luftwaffe hat am Donnerstag den fünften Tag in Folge die ehemalige Wirtschaftsmetropole Aleppo im Norden des Landes bombardiert. Nach einer Zählung der Nichtregierungsorganisation Ärzte ohne Grenzen wurden dabei bis Mittwochabend mindesten 189 Personen getötet und 879 verletzt.

Nach Angaben von Medienaktivisten aus der Stadt wurden am Donnerstag auch mehrere Dörfer in der Umgebung von Aleppo angegriffen. Sowohl die bombardierten Viertel der Stadt als auch die Dörfer werden von Aufständischen kontrolliert.

Bei diesen Angriffen setzt die Luftwaffe sogenannte Fassbomben (barrel bombs) ein. Die Behälter werden mit Sprengstoff und Benzin gefüllt, dazu kommen Nägel oder Metallstücke, gelegentlich auch noch ein Brandbeschleuniger. Aus Hubschraubern oder Flugzeugen abgeworfen, explodieren sie am Boden.

Für den Einsatz auf gegnerische militärische Ziele sind die Fassbomben ungeeignet, weil sie nicht präzise genug eingesetzt werden können. Es handelt sich also um eine klassische Waffe gegen Zivilbevölkerungen. Sie ist leicht herzustellen und deutlich billiger als Raketen. Aktivisten in Aleppo bezeichnen die Waffen wegen ihrer verheerenden Wirkung als „Blutfässer“.

Die Krankenhäuser sind überfüllt, Medidkamente fehlen

Die Krankenhäuser von Aleppo sind überfüllt mit den Opfern der Angriffe. Tote werden vor den Gebäuden aufgereiht, damit die Angehörigen sie abholen können. Außerdem wurden viele Krankenhäuser bereits im Zuge der Kämpfe zerstört oder beschädigt; Medikamente und lebensrettende medizinische Geräte sind auch in ruhigeren Zeiten Mangelware. Sirenen, die die Bevölkerung vor möglichen Angriffen warnen, gibt es in Aleppo nicht, und über Luftabwehrraketen verfügen die Aufständischen auch nicht.

Die Regierungsarmee hat wiederholt Orte oder Stadtviertel bombardiert, die von Aufständischen eingenommen wurden – vorzugsweise solche, die in Händen der Freien Syrischen Armee sind, und häufig nachts. Der Zweck solcher Angriffe ist klar: Die Verbreitung von Unsicherheit, Angst und Schrecken in den betroffenen Gebieten, ihre Entvölkerung durch Flucht, die Herstellung einer Atmosphäre, die den Aufbau alternativer staatlicher Strukturen erschwert, sowie Vergeltung.

UN-Generalsekretär: Keine Friedenskonferenz ohne Waffenstillstand

In Aleppo wird jetzt spekuliert, ob diese bisher schwersten Attacken auf die Stadt eine Bodenoffensive der Regierungsarmee nach sich ziehen werden. Allerdings sind große Teile der Armee in den Offensiven im Großraum Damaskus und den Kalmun-Bergen an der Grenze zum Libanon gebunden – mit geringem und wechselndem Erfolg. Insgesamt gesehen herrscht derzeit ein militärisches Patt.

Die Angriffe auf Aleppo kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die Vorbereitungen auf die geplante Syrien-Friedenskonferenz am 22. Januar in Montreux/Genf auf Hochtouren laufen. Am Freitag kommen Vertreter der USA, Russlands und der Vereinten Nationen in Genf zu Beratungen zusammen; bis zum 27. Dezember müssen die Delegationen ihre Teilnehmerliste einreichen.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Kriegsparteien im Vorfeld solcher Konferenzen den militärischen Druck auf den Gegner verstärken, um mehr Gewicht am Verhandlungstisch einbringen zu können. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte am Montag nach Beginn der Offensive auf Aleppo, es werde keine Friedensverhandlungen geben, wenn es nicht zuvor zu einem Waffenstillstand käme.

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