Buchpreisbindung: Feste Preise in Gefahr

Große Verlage tragen durch Rabatte und das frühe Verramschen ihrer Bücher Mitschuld daran, dass die Buchpreisbindung wieder in der Diskussion ist.

Die Branche selbst unterhöhlt die Buchpreisbindung. Bild: ap

BERLIN taz Eigentlich könnten alle beruhigt sein. Seit dem 1. Oktober 2002 ist die zuvor lediglich privatrechtlich geregelte Buchpreisbindung gesetzlich festgeschrieben. Das bereits 1887 eingeführte Instrument zur Abwehr von Großverramschung und Preiskampf auf dem Buchmarkt scheint also gesichert. Tatsächlich ist die Preisbindung der Garant dafür, dass die Großfilialisten die Bücher nicht günstiger abgeben können als der Buchladen in der Seitenstraße im Vorort. So ist es in Deutschland möglich geblieben, sogar in Dörfern eine Buchhandlung zu führen, selbst die Internetanbieter sind hier keine tödlichen Konkurrenten. Doch bald schon könnte sich das Blatt wenden. Die EU-Kommission, die seinerzeit ein Preisbindungsgesetz in Österreich und Deutschland gefordert hatte, warnt nun davor, dass die Buchpreisbindung ab 2010 erneut gefährdet sei. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert mahnt vor einem zu leichtfertigen Umgang mit dem Handelsprivileg. Denn die Branche selbst ist es, die zwar einerseits stets die Preisbindung hochhält, sie andererseits aber fleißig unterhöhlt.

In der Schweiz ist erst im Mai die Buchpreisbindung aufgehoben worden. Kaum war der Beschluss gefasst, senkten die Großfilialisten die Preise. Doch nur die Titel, die sich auf der Bestsellerliste befanden, fielen deutlich im Preis. Insgesamt jedoch haben sich die durchschnittlichen Buchpreise im vergangenen halben Jahr erhöht. Die Buchhändler versuchen bei eher schwergängigen Büchern hereinzuholen, was sie im Preiskampf um die Bestseller eingebüßt haben. In diesem Preiskampf haben sich besonders die Augsburger Weltbild-Gruppe mit ihren schweizerischen Filialen und der Schweizer Branchenführer Orell Füssli hervorgetan. An Letzterem hält die Münchner Hugendubel-Gruppe 49 Prozent. Wenn aber deutsche Buchhändler am Fall der Preisbindung partizipieren, lässt sich gegenüber Brüssel nur schwer begründen, warum die Regelung in Deutschland erhalten bleiben soll.

Doch sollte man nicht nur auf die Buchhandelsriesen zeigen, denn auch die Verlage unterlaufen seit Jahren die Buchpreisbindung. Es ist bekannt, dass mittlere und größere Verlage den Großbuchhandlungen Rabatte von bis zu 50 Prozent einräumen, von denen kleine Buchhandlungen nur träumen können. Zudem erhalten die großen Ketten volles Remissionsrecht, was heißt, sie könnten, sollte wirklich kein einziges Exemplar eines Titels verkauft werden, die bestellten zehn Paletten Bücher zurückschicken - sie sind also gewissermaßen nur Händler von Kommissionsware. Die kleineren Buchhändler, gerade die literarischen Buchhandlungen, werden für die Liebe, die sie dem Programm eines Verlages entgegenbringen - und zwar dem ganzen Programm, auch der Backlist - dagegen abgestraft: Für sie bleibt es ein Risiko, im für ihre Verhältnisse großen Stile bei einem Verlag einzukaufen.

Dass der durch Fusion von Hugendubel, Weltbild und zwei anderen Filialisten gebildete Branchenprimus DBH und die Thalia-Kette also geradezu geschützt durch die Preisbindung agieren, ist den Verlagen offensichtlich gar nicht klar. Im Gegenteil, dadurch, dass die Verlage manche Titel bereits ein Jahr nach Erscheinen zum Ramsch freigeben, lassen sie die Kundinnen und Kunden glauben, Bücher seien generell zu teuer.

Darum: Verlegerinnen und Verleger, die den Verdrängungswettbewerb der Großfilialisten und die Ramscher befördern, sollten vom "Kulturgut Buch" lieber schweigen. Sie verhökern eine Ware wie jede andere auch. Und dann, da haben die Kritiker aus Brüssel recht, ist die Preisbindung nur eine illegitime Wettbewerbsverhinderung.

JÖRG SUNDERMEIER

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