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Buchhändler Kai Stellmann über Superman„Es gab einen deutschen Vorläufer von Superman“

Seit 2013 ist der 12. Juni „Superman-Tag“. Buchhändler Kai Stellmann über die Ursprünge der Figur und Comics in Deutschland.

Auch in die Kunst hat Superman Eingang gefunden: Patricia Wallers „O.T. (Superman)“ 2023 im Museum Frieder Burda in Baden-Baden Foto: dpa | Uli Deck
Interview von Wilfried Hippen

taz: Herr Stellmann, Superman ist der erste und der mächtigste der US-amerikanischen Comic-Superhelden. Was wissen Sie über seine Ursprünge?

Kai Stellmann: Über die Ursprünge habe ich in Büchern und Magazinen gelesen. Helden mit übermenschlichen Kräften gab es ja schon in der griechischen Antike, so etwa Herkules und Achilles.

taz: Achilles hatte mit seiner Ferse auch schon eine Schwachstelle wie Superman mit dem Kryptonit.

Stellmann: Oder der deutsche Held Siegfried mit dem Lindenblatt auf der Schulter. Es gab sogar eine Art deutschen Vorläufer von Superman: 1937 wurde in der Zeitschrift „Gartenlaube“ ein Comic mit dem Titel „Famany – der fliegende Mensch“ veröffentlicht, den die Schöpfer von Superman, Jerry Siegel und Joe Shuster, aber wohl nicht gekannt haben. ­Deren erste Superman-Geschichte erschien dann im Jahr 1938. Später hat Joe Shuster übrigens sein Geld mit sadomasochistischen Zeichnungen verdient. Auf einer davon wird ein Mann von einer Frau im Bikini und hohen Stöckelschuhen ausgepeitscht und dem sieht Superman sehr ähnlich.

taz: Aber mit dem Erfolg von Superman hatten Siegel und Shuster doch ausgesorgt, oder?

Stellmann: Nein, damals waren die Urheberrechte in den USA noch anders geregelt und weder sie noch ihre Erben wurden an den späteren Erfolgen von Superman maßgeblich beteiligt.

taz: Und die Erfolge kamen schnell, Superman wurde in wenigen Jahren zu einem Multi­mediahelden.

Stellmann: Ja, es gab neben den Comics bald auch Hörspiele, Serials, also Kinokurzfilm­serien, und Zeichentrickfilme.

Bild: privat
Im Interview: Kai Stellmann

geboren 1952, spielt seit 1966 als Musiker in vielen Bands. Er verlegt seit 1976 Comics und war bis 2006 selbstständiger Buchhändler. Er schrieb Bücher über die deutschen Comicserien „Nick, der Weltraum­fahrer“ und „Sigurd, der ritterliche Held“.

taz: In den 1940er-Jahren kämpfte er auch gegen die Nazis. Deshalb wurden die Superman-Comics von Goebbels verboten. Wann kam er denn nach Deutschland?

Stellmann: Zuerst mit mäßigem Erfolg zwischen 1950 und 1954, damals noch als „Supermann“. Als langlebige Serie erschienen Superman-Hefte dann erst ab 1966.

taz: Was halten Sie von den Superman-­Filmen? Der 12. Juni wird nur deshalb als Superman Day gefeiert, weil an diesem Tag im Jahr 2013 der Film „Man of Steel“ in die ­Kinos kam.

Stellmann: Ich mochte den ersten Superman-Film aus dem Jahr 1978 mit Christopher Reeves recht gern, weil er der Comicfigur sehr ähnlich sieht. Und auch sonst hatten sie sich bei dem Film viel Mühe gegeben. Anders als bei dem ersten Batman-Film von 1966. Dort war alles seltsam übertrieben, und als der Film damals ins Kino kam, fand ich, dass sie der Figur damit nicht gerecht wurden. Denn Batman ist in den Comics ja eine viel realistischere Figur als Superman.

taz: Sie hatten eine Buchhandlung mit einer großen Comicabteilung. War Superman da ein Verkaufserfolg?

Stellmann: Nein, von den Buchausgaben haben wir pro Ausgabe höchstens fünf Exemplare verkauft. Wenn da ein Comic gut lief, waren das über 50. In jedem Land mögen die Leute ihre speziellen Comichelden. In Frankreich war das zum Beispiel „Asterix“ und bei uns eher komische Gestalten wie „Werner“ oder „Das kleine Arschloch“ von Walter Moers. Superhelden waren in Deutschland nicht so verankert wie in den USA.

Der Film

„Super/Man, Die Christopher Reeves Story“: 12. Juni, 20.30 Uhr, Astor Film­theater, Braunschweig

taz: Das dürfte sich inzwischen mit den vielen Filmen über Superhelden geändert haben. Aber Comics sind in Deutschland generell nicht so gut angesehen.

Stellmann: Ja, die Comic-Kultur ist bei uns weniger ausgeprägt als etwa in Frankreich, Belgien, England oder den USA. Und ein Grund dafür ist, dass es Anfang der 1950er-Jahre eine Kampagne in Deutschland gab, bei der Comics generell als Schmutz und Schund abgestempelt wurden. 1955 gründeten Comicverleger als ­Reaktion darauf die „Freiwillige Selbst­kontrolle für Serienbilder“ und bemühten sich, dass ihre Hefte nicht indiziert wurden. Noch im Jahr 1962 hat man zum Beispiel auf dem Bremer Bürgerweide öffentlich Comichefte verbrannt.

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1 Kommentar

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  • Dass in Deutschland 1962 Comic-Hefte verbrannt wurden wusste ich nicht. Ich musste an Mark Twain denken ("A German joke is no laughing matter"). Aber ansonsten fehlen hier deutsche Superhelden wie Wastl. Bei Verfilmungen von Superman musst ich sofort an die Serie "Lois and Clark" denken, wo das Thema sehr nett und mit gutem Humor aufgearbeitet wurde. Zu diesen Themen gibt es viel mehr zu sagen als der Herr Stellman hier erzählt hat.