Buch über Österreichs Ex-Regierung: Wie sie eigentlich waren
Helmut Brandstätter war Chefredakteur des „Kurier“, jetzt veröffentlicht er ein Buch über Kurz und Kickl. Und will vielleicht selbst in die Politik.
Brandstätter, 64, war bereits im vergangenen Herbst als Chefredakteur abgelöst worden. Dass politischer Druck dahinter stand, wird allgemein vermutet. Und Brandstätter berichtet in seinem Buch über Interventionen, die verraten, dass Kurz die Berichterstattung über sich und seine Politik stromlinienförmig gestalten wollte. Dazu gehörte etwa die Aufforderung: „Du musst Dich drei Schritte von Christian Konrad entfernen.“
Konrad war in seiner aktiven Zeit als Chef des Raiffeisen-Konzerns, dem der Kurier zum Teil gehört, eine Art Vaterfigur für ÖVP-Politiker. Als er bereits in Rente war, holte ihn der damalige Außenminister Sebastian Kurz als Flüchtlingskoordinator, der dafür sorgen sollte, dass Asylsuchende möglichst reibungslos auf möglichst viele Gemeinden aufgeteilt werden.
Konrad machte seinen Job zu gut. „Für den geplanten Wahlkampf von Sebastian Kurz war es besser, mehr Probleme zu zeigen, als weniger, Konrad passte nicht in eine türkise Strategie“, schreibt Brandstätter.
Was hatte Türkis-Blau vor?
Kurz beschreibt er als einen, der immer verbindlich erscheinen will und andere für sich auf den Putz hauen lässt. „‚Ich habe niemanden angerufen‘, erklärte er mir regelmäßig, wenn ich ihn auf Interventionen ansprach.“ Gleichzeitig war aus der Umgebung des Außenministers zu vernehmen, jetzt müsse „der Kurier auf Linie gebracht werden“.
Helmut Brandstätter: „Kurz & Kickl. Ihr Spiel mit Macht und Angst“. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien, 2019, 206 Seiten, 22 Euro
Hinter den Kulissen sei Kurz selbst aber die Kontrolle über seine Koalition entglitten. Innenminister Kickl habe seine Position genutzt, um einen Umbau der Republik nach seinen Vorstellungen zu unternehmen.
Brandstätter resümiert: „Die kurze Amtszeit von Türkis-Blau ließ eine grundsätzliche Veränderung der Republik Österreich nicht zu, aber die Ansätze sind zu erkennen, und sie deuten in Richtung eines autoritären Staates, der durch die Erzeugung von Angst errichtet werden sollte.“ Brandstätter verlässt den Kurier und kandidiert für die liberale Partei Neos bei den Nationalratswahlen vom 29. September.
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